DAS GOLDLAIBLEIN

Einst hüteten am Ochsenkopfe zwei Knaben und ein Mädchen die Schafe. Die Knaben waren Kinder wohlhabender Landleute; des Mädchens Eltern aber waren arm. Die kleinen Gefährten erzählten sich allerlei Geschichten. Da gesellte sich zu ihnen ein graues Männlein, das aufmerksam ihren Gesprächen zuhörte. Endlich sprach es: "Ihr seid gute Kinder. Darum will ich auch nicht von euch gehen, ohne euch zu beschenken." Es zog aus der Tasche drei Laiblein Brot und gab jedem Kind eines. Darauf entfernte es sich.
Die beiden Knaben lachten über das ärmliche Geschenk und achteten es nicht wert. Der eine nahm sein Laiblein und warf es auf die Erde. Es hüpfte den Berg hinab, bis es sich zwischen struppigem Gebüsch verlor. Da sprach der andere Knabe: "Halt, mein Laiblein muß das deinige suchen!" und warf es ebenfalls auf die Erde. Es nahm denselben Weg wie das erste.
Nun wollten die leichtsinnigen Knaben auch das Mädchen bereden, das Geschenk wegzuwerfen. Die Kleine aber hüllte es eilig in ihr Schürzlein und sprach: "Wie wird es meine Eltern freuen, wenn ich ihnen etwas mit nach Hause bringe!"
Als sie aber heimkam und man das Brot aufschnitt, siehe, da war ein Klumpen Gold hineingebacken, und Reichtum zog ein, wo sonst Mangel herrschte.
Als die beiden Knaben von dem Glück ihrer Gefährtin hörten, gingen sie zurück, um die verschmähten Geschenke des grauen Männleins zu suchen. Allein es war vergeblich.

DER SCHIMMELTURM ZU LAUINGEN

In Lauingen an der Donau, der Heimatstadt des weisen Albertus Magnus, kam einst in der Brunnengasse ein prächtiges weißes Füllen zur Welt. Mit der Zeit wurde aus dem Füllen ein Roß, fünfzehn Schuh lang und im Springen und Laufen ohne seinesgleichen.
Von keinem Menschen ließ es sich zäumen als von einem alten, verkrüppelten Knecht namens Stephan, dem man in Lauingen das Gnadenbrot gab. Dieser hatte den Schimmel sehr lieb, striegelte ihn fleißig und führte ihn gern vor, wenn Neugierige kamen, ihn zu beschauen.
Damals erkrankte der Bürgermeister der Stadt schwer, und es war kein Arzt in ganz Lauingen anzutreffen. Da hieß es: "Wenn wir nur den Pater Severin aus dem Heiligenkreuzkloster zu Donauwörth da hätten, der könnte wohl helfen, wenn noch zu helfen ist. Aber die Zeit, ihn zu holen, ist zu kurz. Der Bürgermeister wird nicht mehr viele Schöpplein trinken."
Sogleich erbot sich Stephan, mit seinem Schimmel den Arzt herbeizuholen. Doch als er zum Dillinger Tor hinausreiten wollte, stand ein Heuwagen unter dem Tor, der zu breit geladen hatte und nun weder vor- noch rückwärts konnte und solcherart das Tor versperrte.
Doch Stephan besann sich nicht lange. Er wandte seinen Schimmel zur Seite, gab ihm die Sporen und sprang mit einem gewaltigen Satz über die Stadtmauer hinweg. Und ehe die Nacht einbrach, war Stephan wieder in Lauingen, den heilkundigen Mönch hinter sich auf dem Roß. Der Schimmel aber konnte den Weg von Lauingen nach Donauwörth und wieder zurück nur deshalb in so kurzer Zeit zurücklegen, weil er zwei Herzen hatte.
Zur Erinnerung an diese wundersame Begebenheit ließen die Lauinger den großen Schimmel an den Hofturm malen und nennen diesen seither den "Schimmelturm."

DER SCHATZ AUF DEM HOHENBOGEN

Seit alters geht die Mär, daß viele Klafter unter dem Burgstallberg in einem kupfernen Kessel ein reicher Schatz verborgen sei. Alle hundert Jahre einmal wird ein Mensch geboren, der ihn unter gewissen Bedingungen zu heben vermag. Ein Hirt von Schwarzenberg, der eines Tages seine Herde auf der sogenannten kleinen Ebene am Fuße des Burgstallkegels weidete, soll so ein Mensch gewesen sein. Als er abends die Tiere eintreiben wollte, vermißte er ein junges Rind; nach einigem Suchen hörte er es hoch oben im Walde Laut geben. Er stieg eilig den Burgstall hinan und war schon nahe dem Gipfel, als plötzlich eine wunderschöne, aber seltsam und fremdartig gekleidete Jungfrau vor ihm stand und ihn mit schmeichelnder Stimme anredete:
"Du kommst zu guter Stunde hierher. Wisse, daß es in meiner Hand liegt, dich zum reichsten Mann im Land zu machen. Ich kann dir offenbaren, auf welche Weise du den unter unseren Füßen vergrabenen Schatz zu heben vermagst."
Der Hirt. den beim ersten Anblick der Erscheinung ein heimliches Grauen beschlichen hatte, faßte Mut und entgegnete, er sei bereit, nach ihrer Unterweisung zu handeln. Freudig fuhr die Jungfrau fort: "Finde dich heute über acht Tage zu Beginn der Mitternachtsstunde am Fuß des Burgstalls ein, zwei Priester mögen dich begleiten, welche die Beschwörungsformeln zu sprechen wissen. Ihr werdet den Schatz oben auf dem Gipfel des Berges liegen sehen. Schreitet nur mutig drauflos und laßt euch nicht irre machen, was immer euch auch in den Weg treten mag, sähe es auch noch so schrecklich aus; denn es ist nur ein Blendwerk des Bösen, der euch weder an Leib noch an Seele schaden kann. Bist du dann an die Schatztruhe herangekommen, so greife mit beiden Händen keck in den Goldhaufen hinein, und er ist dein für immer. Aber wehe mir, wenn du dich durch die Künste des Satans zu feiger Flucht bewegen ließest, wehe mir! Ich müßte dann wiederum hundert Jahre umherirren und könnte nicht zur ewigen Ruhe ein gehen. Sieh dir dieses zarte Reis hier an!" dabei wies sie auf ein dem Boden entsprossenes Ahornbäumchen, "es muß zu einem starken Baum heranwachsen, aus seinem Stamm müssen Bretter geschnit ten und diese zu einer Wiege gefügt werden; der Knabe, der in dieser Wiege ruhen wird, muß zum Mann geworden sein, dann erst darf ich wieder auf Erlösung hoffen. Gedenke der unaussprechlichen Leiden einer armen Seele, erbarme dich meiner, wie du willst, daß Gott der Herr sich deiner erbarme, und erlöse mich!" In den letzten Worten der Jungfrau lag der Ausdruck eines so herzzerreißenden Jammers, daß der Hirte davon aufs tiefste ergriffen wurde. Mehr der Wunsch, so große Pein zu lindern, als die Begierde nach den verheißenen Reichtümern trieb ihn an, das Wagnis der Schatzhebung zu unternehmen. Eben wollte er der Jungfrau seinen Entschluß kundgeben, als sich ihre Gestalt in leichten Nebelflor auflöste, den der Abendwind über dem Gipfel des Burgstalls in nichts zerstäubte. Aus dem Gebüsch aber, an dem sich die Erscheinung gezeigt hatte, kam das verlorene Rind hervor und folgte dem Hirten willig auf den Weideplatz hinab.
Am nächsten Morgen hatte der Hirt nichts Eiligeres zu tun, als nach Neukirchen zum Kloster der Franziskaner zu gehen und dem Pater Guardian den wunderbaren Vorfall zu berichten. Dieser hielt mit andern Patern Rat, was in der Sache zu tun sei, und man kam zu dem Entscheid, daß es sich hier um die Erlösung einer armen Seele und einen Triumph über den Satan handle, wozu die Diener der Kirche hilfreiche Hand bieten müßten. Zwei Mönche erhielten den Auftrag, sich durch Beten und Fasten zu dem heiligen Werk vorzubereiten.
Zur bestimmten Stunde trafen die Priester und der Hirt am Burgstall zusammen; eben schritten sie über den Weideplatz hin, als die Turmuhr zu Neukirchen die elfte Stunde anzeigte. Mit dem letzten Schlag loderte auf dem Gipfel des Burgstalls eine hohe Flamme empor, und die Mönche erkannten dies als das Zeichen, daß der Schatz sich aus dem Erdinnern erhoben habe. Nachdem sie den Hirten gewarnt hatten, nicht von ihrer Seite zu weichen, schickten sie sich an, dem bösen Feind tapfer zu Leibe zu rücken. Aber kaum hatten sie einige Schritte bergan gemacht, als im Wald ein seltsames Leben rege wurde. Eulen und Fledermäuse flatterten den nächtlichen Wanderern in dichten Schwärmen entgegen, von allen Seiten wurde aus dem Unterholz Totengebein auf sie geworfen, und grinsende Schädel kollerten unter ihren Füßen hin.
Die frommen Söhne des heiligen Franziskus ließen sich von diesem Spuk keineswegs beirren, sondern drangen, mit lauter Stimme Beschwörungsformeln hersagend, rastlos voran. Schon mochten sie die Hälfte des Weges zurückgelegt haben, als der bisher mondhelle Himmel sich plötzlich verfinsterte und ein Sturm losbrach, der den ganzen Berg zu erschüttern schien. Die Blitze fuhren hageldicht hernieder, der Donner krachte Schlag auf Schlag, die Gießbäche stiegen im Nu, brausten über ihre Ufer und wälzten mannshohe Fluten gegen die drei Männer herab. Diese meinten, bis an den Hals im Wasser zu waten; aber wie sie näher zusahen, fanden sie, daß nicht ein Faden ihres Gewandes naß war. Darum achteten sie auch nicht weiter darauf, als ihnen noch allerlei andere Schreckbilder, bald tierähnlich, bald menschlicher gestaltet, in den Weg traten. Endlich erreichten sie den Gipfel, ohne daß ihnen ein Haar gekrümmt worden wäre. Hier sahen sich wenige Schritte vor sich, hell von der noch immer lodernden Flamme erleuchtet, ein kesselartiges Gefäß, das bis zum Rande mit funkelnden Goldmünzen gefüllt war. Eben wollte der Hirt vortreten, um, wie ihm die Jungfrau geboten, den Schatz zu erfassen, da wankte der Boden unter ihm, und von unterirdischer Kraft gehoben, wich ein mächtiger Felsblock polternd von seinem Platze. Aus der Öffnung, die sich gebildet hatte, kroch ein scheußlicher Lindwurm hervor und ringelte seines Leibes endlos gestreckte Glieder dreimal um den Gipfel des Burgstalls herum, einen furchtbaren Schutzwall vor dem Goldkessel auftürmend.
Das Erscheinen dieses Ungeheuers setzte den Mut der guten Mönche auf eine zu harte Probe. Sie glaubten sich schon von den scharfen Zähnen des Drachen gepackt und fielen mehr als sie liefen den steilen Abhang hinunter. Dem Hirten, der sich von seinen geistlichen Helfern verlassen sah, blieb nichts übrig, als ihnen zu folgen. Wohl vernahmen sie hinter sich die Stimme der Jungfrau, die unter klagenden Rufen zum Ausharren mahnte, aber die Flüchtenden waren nicht mehr zum Stehen zu bringen. Nur einmal hatte der Hirt es gewagt umzuschauen und dabei gesehen, wie der Gipfel des Berges sich spaltete und in seinem weiten Riß die Schatztruhe verschlang. Darauf erhob sich ein tausendstimmiges Geheul, daß dem erbleichenden Jüngling schier das Blut in den Adern gerinnen wollte.
Es war das Hohngelächter der Hölle. Der Schatz von Hohenbogen aber wurde nie gehoben.

DER SCHMIED VON MITTERBACH

Vor vielen Jahren lebte zu Mitterbach ein Schmied, der hielt sein Hauswesen schlecht instand und vertat alles in Trunk und Spiel. Er wußte sich bald nicht mehr zu helfen und rief den bösen Feind um Beistand an. Dieser stellte sich ungesäumt ein, und der leichtfertige Schmied verschrieb sich ihm mit Leib und Seele; mit seinem eigenen Blut unterfertigte er den Vertrag: der Teufel solle ihn haben, wenn der Böse ihm nur drei Jahre lang in allem zu Willen sei.
Der Mitterbacher schwelgte nun in Lust und Freuden und warf das Geld mit vollen Händen zum Fenster hinaus, so daß sich die ganze Nachbarschaft höchlich darob wunderte. Doch bald war die bedungene Zeit um, und Luzifer kam abends in des Schmiedes Stube und machte Miene, sich auf die Ofenbank zu setzen. Aber die Schmiedin wollte dies nicht zulassen, sondern brachte mit zierlicher Höflichkeit einen gepolsterten Stuhl aus dem schönen Stüble herbei. Luzifer fragte nach ihrem Ehegatten. Die Schmiedin erwiderte, ihr Mann schlage den Rossen des Wirtes in der Schenke Eisen auf. Das war aber nur Weiberlist; denn in seiner großen Angst und Not hatte der Schmied seiner Ehegesponsin das Geheimnis seines Vertrages geoffenbart. Des Schmiedes Ehefrau trug nun dem Bösen gut Essen und Trinken auf und sandte den Gesellen nach dem Schmied, ihrem Mann, der sich indessen bei einem alten Großmütterlein im Dorfe Rat holte. Diese war eine kluge Frau, eine bekannte Wahrsagerin und mit allerlei Zauberkünsten vertraut.
Der Mitterbacher kam schließlich fröhlichen Mutes nach Hause und ging den Satan höflich an, seine Lebensfrist zu verlängern.
Der aber schlug das Verlangen rundweg ab und mahnte den Schmied zum Aufbruch. Als beide hinter dem Haus durch den Garten gingen, wo die Kirschbäume voll reifer Früchte hingen, bewog der Schmied den Teufel, auf einen Baum zu steigen und ihm als letzte Gunst einige Kirschen zu brocken. Der Teufel wollte, nachdem er genug abgepflückt zu haben wähnte, wieder vom Baum herabsteigen, aber siehe da! inzwischen hatte der Schmied mit einer weißen, wundertätigen Kreide, die ihm die kluge alte Wahrsagerin gegeben hatte, einen Kreis um den Baum gezogen - und der Satan saß wie angepicht auf dem Aste.
Da rief ihm der Schmied zu, er solle den Vertrag herabwerfen, dann wolle er ihn loslassen. Der Höllenfürst wollte dieser Aufforderung lange nicht nachkommen. Endlich schleuderte er dem harrenden Mitterbacher eine falsche Urkunde herab. Doch dieser erkannte den Betrug, und so mußte der Teufel fletschend und heulend und unsäglichen Gestank verbreitend viele, viele Stunden auf seinem luftigen Sitz verbringen. Indes nahte die Geisterstunde ihrem Ende, und der Teufel geriet in Gefahr, seine Herrschaft auf immer zu verlieren. Das machte ihn mürbe, wie man leicht begreifen wird. Er drehte sich ein Hörnlein ab, nahm daraus ein vergilbtes Zettlein Pergament und warf es dem Schmied zu, der das Schriftstück als die echte Handschrift erkannte, worauf er den Vertrag in tausend Fetzen zerriß. Dann zog er einen Kreis mit schwarzer Kreide, die von seltsamer Wunderkraft war. Der Satan aber fuhr wie der Wind, großen Gestank verbreitend, sogleich in alle Lüfte davon.
Aber wer sich einmal mit der Hölle eingelassen hat, der ist ihr verfallen und vermag sich nimmer loszumachen. So erging es auch dem Mitterbacher. Er verschrieb sich dem Teufel zum zweitenmal, doch diesmal nahm der betrogene Satan sich wohl in acht, neuerlich geprellt zu werden. Nach Ablauf der Zeit bat der arme Sünder, es möchten ihm nur noch drei irdische Wünsche erfüllt werden, weil er nun doch sein liebes Weib und seine Kinder verlassen müsse; seien die Wünsche erfüllt, dann zöge er gern mit fort in die Hölle. Und mit seinen Bitten vereinte die Frau ihr Flehen, und die jungen, rotbäckigen Töchterlein des Schmiedes streichelten dem Geißfuß die haarige Wange und drangen bittend in ihn. Da wurde der alte Griesgram weichherzig und konnte nicht mehr widerstehen.
Der erste Wunsch aber lautete: über Nacht sollten alle Felder, Wiesen und Gründe des Schmiedes mit einer Mauer aus Quadersteinen umgeben sein, zehn Schuh hoch und fünf Schuh dick. Diesem kühnen Begehren wurde völlig entsprochen; denn als der Mitterbacher morgens aufstand und in seinem Besitztum umherwanderte, sah er eine so starke, prächtige Mauer, wie man sich,s kaum denken kann. Hierauf bestieg der Schmied seinen Schimmel. Der lief so schnell wie ein Lauffeuer; der Schmied aber trug dem Teufel auf, so eilig den Weg vor ihm zu pflastern und hinter ihm wieder aufzureißen, als er reite. Auch dies Verlangen wurde erfüllt, obgleich der Mitterbacher ritt, bis der Gaul verendet hinfiel. Nun wußte der Schmied nicht mehr, was er noch wünschen könne, und ging deshalb zu der weisen Frau im Dorfe.
Diese sagte ihm, er möge dem Teufel eine Locke der krausen Haare seines Kopfes zum Geradeschmieden geben. Da zupfte sich der Schmied, froh, solche Auskunft erhalten zu haben, eine Locke aus und gab sie dem Luzifer zum Geradeschlagen. Dieser klopfte gewaltig auf das Haar los, bis er die Unmöglichkeit des Beginnens begriff. Voll Ärger und Verdruß fuhr der Teufel unter lauten Drohungen davon.
Der Mitterbacher aber, verblendet und frech gemacht durch die wiederholte unverhoffte Rettung, verschrieb sich zum dritten Male dem Teufel und mußte nach Ablauf der Frist ohne Gnade und Barmherzigkeit in die Hölle hinab. In der Hölle gibt es einen Ort, wo nur solche Menschen hinkommen, die auf der Welt niemand erschlagen, keinen Raub noch andere schwere Verbrechen begangen, sondern nur in Trunk, Spiel und bei anderer Kurzweil ihre Tage verbracht haben. Dort sitzen die lustigen Brüder in einer pechschwarzen Rauchkammer, die gar unheimlich von Spanlichtern erhellt ist. Diese Männer trinken Bier und Schnaps, schnupfen, rauchen, spielen Karten, streiten, raufen, werden wieder gut mitsammen, singen und schnaderhüpfeln. Doch einschenken und Span putzen müssen die Teufel. Diese aber zwicken in ihrer angeborenen Bosheit manchmal die Spieler mit glühenden Zangen und tun ihnen sonst allerlei Übles an; die geplagten Häftlinge aber können sich dagegen nicht wehren und auch keine Rache nehmen an den boshaften Plagegeistern.
Als die Bewohner der Rauchkammer nun den Mitterbacher, der einen Schnappsack, wohlgefüllt mit seinem Handwerkszeug, über den Rücken geworfen trug, mit dem Oberteufel hereinkommen sahen, waren alle freudig bewegt, weil sie schon gar manches lustige Stücklein von jenem Schmied gehört hatten.
Der Schmied aber setzte sich gleich an einen Tisch und begann nach tapferem Begrüßungstrunk ein Spielchen zu machen. Aber bald geriet er mit den Teufeln in Streit, die auch ihn mit ihren Teufeleien nicht verschonten. Da griff der ungebärdige Mann nach seinem guten Hammer, schlug die Hörnleinmänner tüchtig nieder und brachte sie alle nach mannhaftem Kampf in seinem Schnappsack unter, wo er sie mit seiner Beißzange noch gehörig zwickte. Die Teufelchen schrien um Gnade; der Fürst der Hölle aber entließ den Schmied schleunig, weil er so gewalttätig war. Stolz warf der Mitterbacher den Sack mit den kläglich zugerichteten Teufeln in eine Ecke, sagte den fröhlichen Kameraden ein freundliches Lebewohl und ging rasch von dannen, in den Fäusten Hammer und Zange haltend.
Der Mitterbacher ging nun geradewegs dem Himmel zu und klopfte da nach seiner Art mit dem Hämmerlein an die Pforte. Aber St. Petrus öffnete nicht. Da wurde der Schmied zornig, drückte die Tür mit Gewalt ein, warf Petrus die Himmelsleiter hinab und drang bis vor Gottes Angesicht. Gott aber rief ihm zu: "Weiche, Verworfener, und wandere in alle Ewigkeit! Du gehörst nicht in den Himmel, taugst nicht in die Hölle und kannst nimmer zur Erde zurückkehren." Seitdem wandert der Schmied von Mitterbach umher, man weiß nicht wo, doch muß er wandern in alle Ewigkeit.

 

DER BETRUEGERISCHE ANWALT VON MUENCHEN

Vor vielen Jahren starb zu München ein Advokat, der sein Leben lang ein arger Rechtsverdreher und Beutelschneider gewesen war. Er hatte sich nie ein Gewissen daraus gemacht, Witwen und Waisen um ihr gutes Recht zu bringen, wenn er dafür bezahlt wurde.
Nach seinem Tode trug sich etwas ganz Absonderes zu. Nachdem der Leichnam aufgebahrt war und man zwei Lichtlein angezündet und ein Kruzifix dazwischen gestellt hatte, gingen die Leute, wie es Brauch war, aus und ein, den Toten anzuschauen. Geweint hat aber niemand. Vor dem Hause waren viele Menschen versammelt, murmelten dies und das, und Gott wolle seiner armen Seele gnädig sein. Auf einmal rauschte etwas durch die Luft, zwei großmächtige Raben flogen ans Fenster und hackten so lange mit ihren Schnäbeln drauflos, bis die Scheiben klirrend in Trümmer gingen und zum Erstaunen des Volkes - ein schwarzer Vogel aus dem Zimmer herausflog.
Während die Menge auseinanderstob, flogen die drei Raben davon. Im Totenzimmer waren plötzlich die Lichter erloschen und das Kruzifix umgestürzt. Gleich darauf soll auch der Leichnam über und über schwarz geworden sein.
Angsterfüllt vor all dem Geschehen, ging niemand hinter dem Sarg, als der gewissenlose Anwalt zur letzten Ruhe bestattet wurde.

DIE "WILDE JAGD" BEI LENGENFELD

Zwischen Lengenfeld und Stoffen am Lech liegt auf einer hohen Ebene eine wilde, weite Ödung. Über diesem Gebiet tollt die wilde Jagd immer am wütendsten, und dort verweilt sie am längsten.
Einst wanderte ein Mann aus Hofstätten über dieses unwirtliche Feld. Es dunkelte schon. Da vernahm er aus der Ferne ein Heulen und Sausen, als wolle sich ein furchtbarer Sturm erheben. Sobald er stehenblieb und sich umsah, kam die "Wilde Jagd" in den Lüften daher, und da er, ganz erstarrt vor Schrecken, vergaß, sich sogleich auf den Boden zu werfen, hoben ihn die wilden Jäger leicht vom Erdboden auf und rissen ihn im Zuge mit sich fort. Viele Wochen war er der Erde entrückt, kein Mensch wußte, wohin er gekommen war, und seine Leute hielten ihn schon für tot. Da auf einmal kam er wieder zurück, aber er wußte nicht, wo er gewesen, und wie er daher kam. Sein Sinn war ganz verwirrt; es schwindelte ihn, wenn er an sein Abenteuer dachte, und allen Leuten wurde schwindlig, wenn sie ihn davon reden hörten. Zeit seines Lebens blieb der Mann still und in sich gekehrt, zeigte weder Freude noch Trauer und verbrachte seine Tage in stumpfem Hinbrüten.
Hütte und Herberge sind heute aus diesem Gebiet verschwunden. Wildnis wuchert über felsigem Grund.

 

DIE 'LANGE AGNES' IM WALDE BEI FURTH

Im Wald zwischen dem Grenzstädtlein Furth und dem Markte Eschelkam quillt unfern des Fußpfades ein Brünnlein aus dem Boden, das beim Volk seit altersher verrufen ist. Niemand wagt es, nach dem Abendläuten ihm nahe zu kommen. Denn dort treibt seit undenklichen Zeiten die "Lange Agnes" ihr Unwesen. Wer eine Sünde begangen, namentlich aber ungerechtes Gut an sich gebracht hat, über den gewinnt das boshafte Gespenst Macht und den drangsaliert es in empfindlicher Weise.
Die Marter besteht darin, daß die "Lange Agnes" ihr Opfer in die Wasser des Brünnleins taucht und ihm dann den Kopf mit Bürste und Stahlkamm bearbeitet, daß Haut und Haare abgehen möchten. Es wird erzählt, die "Lange Agnes" sei in ihrem Leben ein bitterböses, habgieriges Weib gewesen, von hochgestreckter, hagerer Gestalt, und habe sich so ganz und gar in die Sorgen um das Zeitliche versenkt, daß sie sogar den Tag des Herrn nicht heilig gehalten habe. Oft sah man sie an hohen Festtagen im Bach stehen und ihre Wäsche schwemmen. Von diesem sündhaften Tun konnte sie weder durch die Ermahnungen ihrer Angehörigen noch durch die Strafreden des Pfarrherrn abgebracht werden. Ihres verstockten Sinnes wegen wurde ihr nach dem Tode die Ruhe der Seligen versagt, und sie muß bis zum Tage des Gerichtes an jenem Brünnlein als Gespenst umgehen.
Man soll das Klopfen ihres Waschbleuels in der Geisterstunde eine halbe Meile weit durch den Forst erschallen hören, wobei sich in dieses Geräusch das Gekrächze von Nachtvögeln unheimlich einmengt.

DIE BURGRUINE RABENSCHAICHEN BEI KEMPTEN

Wenn man auf der Straße von Kempten nach Memmingen das Anlehen Hirschdorf hinter sich hat, sieht man, etwa eine Viertelstunde Weges unterhalb dieses Dorfes, neben der Straße am nahen Waldsaum eine zerfallene Burgruine, über die junge Birken und Tannen emporragen. Daneben liegt ein Weiler, von mehreren zerstreuten Häusern gebildet, der bis auf den heutigen Tag den Namen von dieser Burg Rabenschaichen trägt. Hier hauste in alten Zeiten ein gewalttätiger Ritter, der Schrecken der ganzen Gegend.
Zogen die Ulmer Kaufleute mit ihren Waren aus Welschland vorbei, so lauerte Kuno mit seinen wilden Gesellen im Gehölz, plünderte die Reisenden aus oder ließ sich das Weiterziehen mit blankem Gold bezahlen. Seine Untertanen bedrückte er auf alle erdenkliche Weise; kam ein Bettler an die Schloßpforte, so hetzte er seine zottigen Rüden auf ihn und sah mit Hohngelächter zu, wenn sie den Armen übel zurichteten. Das unrecht gewonnene Gut wurde dann in schwelgerischen Gelagen verpraßt, wobei die geraubten Weinfässer, wenn sie ihres feurigen Inhalts entleert waren, unter dem Gejauchze der Zechenden in den Burggraben hinabgerollt wurden.
Viele Jahre trieb der Ritter das wilde Raubhandwerk, fragte nicht nach Gott und nach den Menschen, und so kühne Abenteuer er auch unternahm, immer kehrte er siegreich von seinem Strauß heim, so daß es ringsum hieß : Ritter Kuno hat seine Seele dem Teufel verschrieben, deshalb richtet niemand etwas gegen ihn aus.
Plötzlich starb er jedoch um die Mitternachtsstunde, nachdem er von einem blutigen Raubzug heimgekehrt war. Seine Spießgesellen trugen den Leichnam in das oberste Gemach, von dessen Söller sonst Ritter Kuno nach vorüberziehenden Kaufleuten auszuspähen pflegte. Während die Gesellen dann im Erdgeschoß über der Teilung der angehäuften Schätze haderten und lärmten, erscholl plötzlich um die Zinnen der Burg das kreischende Gekrächze einer Schar Raben, die bald durch die geöffneten Fenster in das Totengemach hineinflogen und unter gräßlichem Geschrei das Antlitz des Verstorbenen mit wütenden Schnabelhieben zerfetzten.
Die Totenwächter vermochten die schwarzen Gesellen erst zu verscheuchen, nachdem das Gesicht des aufgebahrten Ritters gänzlich zerfleischt war. Die Zechenden im Hof ergriff kalter Graus; sie ahnten Gottes Strafgericht, verteilten die geraubten Güter teils unter die Armen, teils an Kirchen; das Raubnest aber überlieferten sie den Flammen, die die Burg bis auf die Grundmauern verzehrten.
Nur wenige Trümmer und der Name der Burg - Rabenschaichen - erinnern an den einstigen Glanz dieser Stätte.

 

DIE WIRTIN VON SCHWEINAU

In Schweinau lag die Frau eines Wirtes, der nebenbei auch Metzger und Milchmann war, in den letzten Zügen. Sie war ihr Leben lang habsüchtig und geizig gewesen und blieb es auch noch auf ihrem Sterbelager. Anstatt an den Tod zu denken und sich auf das Jenseits vorzubereiten, hatte sie noch über allerlei Hausgeschäfte mit ihrem Gesinde zu reden. Eben war gemolken worden, und die Milch sollte zum Bäcker gebracht werden, da rief sie unter Aufbietung ihrer letzten Kräfte: "Bub, in die Maß Bäckermilch gehört immer ein Glas Wasser!" Nach diesen Worten verschied die Frau.
Bald darauf ging,s im Hause um. Alle Dienstboten sahen die Frau, nur ihr Mann nicht, obwohl er es wünschte. Endlich wurde er einmal nachts durch leises Stöhnen und Winseln aus dem Schlaf geweckt, und als er aufstand, sah er sein Weib, wie es leibte und lebte, im großen Lehnstuhl hinter dem Ofen sitzen. Es hatte ein großes Tuch in der Hand, womit es beständig seine tränennassen Augen trocknete. "Liebes Weib", fragte der Mann erschrocken, "warum kannst du die ewige Ruhe nicht finden?"
Darauf entgegnete die Frau: "An der Fleischwaage ist ein Haken, der ist zu schwer. Was ich für deine Kinder beiseite gelegt habe, das nimm aus der Truhe und gib es den Vormundskindern. Diese beiden Vergehen kannst du noch gutmachen. Daß ich aber beim Milchschank immer den Daumen ins Maßblech gehalten habe, kannst du nimmer gutmachen, und deswegen habe ich keine Ruhe im Grabe." Und so muß es wohl sein, denn noch immer will man in Schweinau das Jammern und Wimmern der Verstorbenen aus Grabestiefe hören.

 

KOENIG WATZMANN

Vor undenklichen Zeiten herrschte im Berchtesgadener Land ein mächtiger König namens Watzmann. Der finstere Tyrann liebte weder Menschen noch Tiere, seinem grausamen Herzen war es eine Lust, die Menschen zu quälen und die Tiere zu martern. Darum war auch die wilde Jagd sein höchstes Vergnügen. Dort umgab ihn Rüdengebell und Hörnerschall, daß die Wälder davon widerhallten. Doch nicht allein er, auch sein Weib und seine Kinder fanden große Lust an der wilden Hetzjagd, wenn die dampfenden Rosse unter ihnen zusammenbrachen und das totgehetzte Wild von den Hunden zerfleischt wurde. So ging es Tag und Nacht, ohne Rast und Ruh, über Stock und Stein, bergauf und bergab, und keine Schonung gab,s für die Saat des Landmanns. Lange Zeit frönten der König und die Seinen dieser teuflischen Lust, doch endlich ereilte das himmlische Strafgericht die gottlosen Frevler.
"Hallo, hinaus zur wilden Jagd!" tönte es einst wieder durch den Schloßhof; die Hörner schallten, die Rüden bellten, und bald ging es mit Weib und Kindern wieder dahin in wildem Zug. Im Dämmerlicht gewahrte der König ein Mütterlein, die Enkelin auf dem Schoß, und lenkte sein Pferd so hart vor die Hütte hin, daß Reiter und Roß die Greisin traten. Und als der Bauersmann und sein Weib wehklagend aus der Hütte kamen, um die sterbende Mutter im Hause hinzubetten, da hetzte der König die schnaubenden

 

DIE ZURUECKGENOMMENE OPFERGABE

Im Enggruberhofe bei Neuhofen hatte man immer Unglück im Stalle. Das Vieh nahm nimmer zu und bald verendete eine Kuh, bald ein Ochse. Da versprach sich der damalige Besitzer des Hofes zum Hl. Erasmus nach Heiligenberg und gelobte, sobald er Erhörung fände und Besserung bei seinem Viehstand einträte, eine Kalbin zu opfern. Der hl. Erasmus war ihm gnädig und bald gab es keine Klage mehr auf dem Enggruberhofe. Der Bauer vergaß aber auch sein Versprechen nicht und führte eines schönen Tages seine schönste Kalbin auf den Heiligenberg. Doch als er mit seinem Opfer vor dem Altare stand, reute ihn das Versprechen. Er riß die Kalbin herum und sagte: "Wenn ma's Radl schmiert, nacha geht's!" Dann führte er sein Opferrindlein wieder heimzu. Aber siehe, im Pflaster des Kirchenbodens hatten sich die Klauen der Kälbin unauslöschlich eingegraben. Die Steine, auf denen diese Abdrücke sich befinden, wurden später herausgehoben und in die Seitenwand des Kirchleins, das jetzt eine Seitenkapelle zu der später vergrößerten Wallfa hrtskirche bildet, zum ewigen Gedächtnis eingelassen.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DER VERSTEINERTE KAESLAIB

In der St. Hermannskapelle bei Bischofsmais befindet sich über einem Seitenaltare ein Stein, der die Form eines Käselaibes hat. Wie kam dieser Stein in die Kapelle und was mag er nur bedeuten?

Vor langer, langer Zeit kam einmal eine Bäuerin aus der Gegend zum hl. Hermann und bat flehentlich um seine Hilfe. Sie versprach, einen Laib Käse zu opfern, falls sie Erhörung in ihrem Anliegen fände. Der Heilige nahm sich ihrer an und bald erschien sie wieder, ihr Gelöbnis einzulösen. Sie legte den versprochenen Laib auf den Altar, kniete sich nieder und verrichtete noch ein inbrünstiges Dankgebet. Während sie aber so betete, kam der Neidteufel über sie. Immer und immer mußte sie nach ihrer Gabe schielen und dabei dachte sie, ein kleinerer Laib hätte es auch getan und schnitt ein ansehnliches Stück Käse weg. Der hl. Hermann verwandelte sofort den Käs in harten Stein und zeigte ihr damit das Sündhafte ihrer Handlungsweise an.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DER MAMMINGER FUSS IM DOM ZU FREISING

Auf der rechten Empore des Freisinger Domes ist in nächster Nähe des St. Sigismund Altares unter Glasrahmen von ca. 30 cm Höhe das Skelett eines linken Menschenfußes aufbewahrt, unter welchem auf einer Holztafel folgendes über diesen Fuß Auffschluß gibt: "Dieser Fuß ist vor vielen unerdenklichen Jahren von Mamming hieher gebracht worden, als nun einsmahls eine ganze Nachbarschaft von Mamming hieher zu dem heiligen Sigmund den dritten Pfingstfeyertag wie gebräuchlich Wallfartten gangen, habe sye unterwegen einen Nachbarn, so auf einem Baume gewesen, angetroffen, dem befragt, ob er mit dem Kreuz nachher Freysing mit ihnen gehen wolle, habe er das gespött damit getriben, vorgeben, er woll nit, daß ihm ein Fuß zu Freysinge währe; indem sey seiner Füße einer von dem Baum herabgefallen und von des Bauern aigenen Hund in dem Maull nachher Freysing getragen worden und da die Nachbarschaft mit dem Kreuz in die Kürchen kamen, sey der Hund mit diesem Fuß vor dem Altar gelegen."

Dingolfinger Heimatmuseum

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DER FLUCHER

In der Nähe von Alkofen war ein Knecht mit Pflügen beschäftigt. Da der Boden schwer aufging und die Arbeit lange dauerte wurden die Pferde müde und wollten beim Heimfahren nichts mehr von Trab wissen. Darüber kam der Knecht in große Wut und er fing erbärmlich zu fluchen an. Er fluchte sogar an dem Wegkreuz, an welchem er vorüber mußte, vorbei und dachte nicht im mindesten daran auch nur seinen Hut ein klein wenig zu lüften, geschweige denn ein Kreuz zu schlagen, wie es doch allgemein Brauch ist. Da war es als ginge ein unterirdisches Rollen über die Gegend, die Erde tat sich auf und verschlang den Flucher samt Roß und Wagen. An jener Stelle wo das geschehen ist befindet sich heute noch ein großes Loch, das man schon oft erfolglos zuwarf.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

VOM VERSUNKENEN BAUERN

In Tragenreut, einem Dorfe der Gemeinde Prag bei Fürsteneck, war es Brauch, daß niemand am St. Ulrichstage einspannte oder überhaupt schwere Arbeit verrichtete. Ein Bauer aber brach einmal die alte fromme Sitte und fuhr an diesem Tage Heu heim. Seine Nachbarn hatten ihn gewarnt und gebeten, das Heu doch morgen zu holen. Er aber lachte und sprach: "Ulrich hin, Ulrich her! Ich muß heute noch mein Heu unter Dach bringen!" und fuhr auf die Wiese. Als er das Heu aufgeladen hatte, ließ er die Peitsche über die Rücken der Ochsen sausen: "Hü!" Aber es ging nicht vorwärts. Noch einmal: "Hüh!" Da tat sich mit einem Male die Erde auf und Bauer und Gefährt versanken im Wiesengrund. Nur der Wiesbaum war noch zu sehen. Die Tragenreuter Bauern feiern heute noch den Ulrichstag.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

BROTBACKEN AM ST. LEONHARDSTAG

Zu Zell in Niederbayern geschah es, daß eine Bäuerin am St. Leonhardstage ans Brotbacken ging. Das sah ihre Nachbarin und ermahnte sie ernstlich, daß es sich nicht zieme am St. Leonhardstage Brot zu backen. Doch jene erwiderte: " Leonhardstag hin, Leonhardstag her! Und sollen mir die Hände im Teig stecken bleiben, so muß ich backen!" Und siehe, als die Verwegene in der Arbeit fortfuhr, blieben ihr auch auf einmal beide Hände im Teige stecken, welche Hände man noch heutigen Tages in der Kirche sehen soll.

Zimmermann

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DER GEIZIGE BAUER

Auf dem Schwemmbergerhofe 1) hauste einmal ein Bauer, den der Geizteufel ritt. Derselbe benützte beim Getreideverkauf stets einen Metzen, der weit unter dem richtigen Maße war und betrog so nicht nur die reichen Bräuer und Getreidehändler, sondern auch die vielen armen Häusler und Inwohner der Gegend, die ihr Brotkorn von ihm kaufen mußten und das war besonders schlecht von ihm. Dafür aber mußte er auch nach seinem Tode büßen und des Nachts auf seinem Grund und Boden "umgehen". Sobald jemand des Weges kam mußte er immer rufen: "Bi(n) da Schwemmbergerbauer, muaß sitzn am Roa 2) hab im Lebn viel Leut betrogn: mei Metzn is z'kloa!"

1) Ein Einödhof zur Gemeinde Allersdorf gehörig.
2) Rain, Feldrain.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

GRAEFIN WEKLIN

In der Nähe des Marktes Schönberg befinden sich die Ruinen des Schlosses Rammelsberg, ehemals eines der ältesten Schlösser des Bayerischen Waldes. Hier lebte einst die Gräfin Weklin, welche wegen ihrer bezaubernden Schönheit, nicht minder aber auch wegen ihres Neides und ihrer Hartherzigkeit bekannt war. Oft kamen die Armen der Gegend um etwas von den Überresten der reichbesetzten Tafel zu erbitten. Gräfin Weklin wies ihnen stets unbarmherzig die Tür und befahl den Dienern, die Speisereste den Schweinen vorzuwerfen. Da wurde die Gräfin krank und starb schon nach wenig Tagen. In feierlicher Weise wurde ihr Leib in der Ahnengruft beigesetzt. Nachdem das geschehen war, ging die Dienerschaft wieder ihrer gewohnten Arbeit nach. Mit Entsetzen gewahrten die Mägde die Verstorbene unter den Schweinen sitzen und mit diesen aus dem Troge zehrend. Als der Graf davon hörte, ging er zur Zeit der Fütterung in die Stallung und fand mit Schrecken die Mär bestätigt. Darauf ließ er einen kostbaren Trog anfertigen, ihn in den S chweinestall stellen und zur Speisezeit jedesmal mit den köstlichsten Sachen füllen. Aber die Gräfin saß immer wieder unter den Schweinen. Nun rief er einen Einsiedler zu Rate, der in der Nähe hauste. Der verbannte die Gräfin an den Rachelsee. Ehe sie aus dem Stalle verschwand bat sie noch: "Bringt mir jedes Jahr ein Paar eiserne Schuhe an den Ort meiner Verbannung! Ich muß noch weiter büßen für meinen Neid." Von der Stunde an ging der Geist der Gräfin am Rachelsee um, der damals noch mit Urwald umgeben war und selten eines Menschen Antlitz sah. Alljährlich stellte man ihr an das Ufer des Sees die gewünschten Schuhe. Wenn sich dann und wann die Hirten mit ihrem Vieh an den See verirrten, sahen sie die Gräfin in weißem Kleid und mit aufgelösten Haaren weinend am Ufer sitzen oder schwerfällig über den Wasserspiegel schweben, wobei sie die eisernen Schuhe in die Tiefe zu ziehen drohten. Seit einiger Zeit ist sie verschwunden. Ob sie wohl erlöst ist?

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DIE GEIZIGE PFLEGERIN

Nach einer im Pfarrhofe zu Hutthurm liegenden Handschrift war die Frau des im Jahre 1495 verstorbenen fürstbischöflichen Pflegers Degenhart von Wotzmannsdorf zu Leuprechting (Leoprechting) Sabina, ungemein geizig. Sie hatte vor ihrem Tode all ihre Kostbarkeiten vergraben und mußte zur Strafe nachher "umgehen". Nachdem sie bereits lange ihr Unwesen in ihrem ehemaligen Wohnsitze getrieben hatte, wurde sie in einen jenseits des Inns gelegenen Teich verbannt, wo man sie oft als großen, schwarzen Fisch, der auf dem Rücken einen Bund Schlüsseln trug, sehen konnte.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DER HOHE STEIN

Wenn man von Kopfberg nach Zipf geht, so führt der Weg durch ein wildromantisches Tal, in dem zahllose Felstrümmer zerstreut umherliegen. Unter diesem Gestein zeichnet sich besonders ein Block durch seine riesige Höhe aus. Das Volk nennt ihn einfach den hohen Stein und erzählt von ihm folgende Sage:

In uralter Zeit stand dahier ein Schloß, das von einer reichen Gräfin, deren Gemahl in einer Schlacht den Tod gefunden hatte und ihrer Schwester bewohnt war. Die beiden Frauen waren geizig und hartherzig gegen alle Notleidenden. In einer wilden, stürmischen Nacht klopfte ein Bettler an das Schloßportal und bat um Nachtherberge; aber die Frauen wiesen ihn fort. Da erhob der Bettler drohend seine Rechte und rief:

"Der Himmel verderbe euch mit seinem Zorne und keine Ruhe sollt ihr finden bis an das Ende der Tage!" In diesem Augenblick erhob sich ein gräßlicher Sturmwind und ein ungeheurer Felsen löste sich oben vom Berge und begrub das Schloß samt seinen Bewohnern.

Seit diesem Tage sieht der einsame Wanderer in stürmischen Nächten die zwei Frauen auf dem Felsen sitzen. Wenn ihre Zeit dereinst abgelaufen sein wird, dann wird ein Mann aus dem Volke sie erlösen. Eine Truhe voll Gold, die unter den Felstrümmern vergraben liegt, wird sein Lohn sein.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DER BESTRAFTE FLACHSDIEB

Einige mutwillige Dirnen aus Rauhbühl bei Viechtach arbeiteten eines Nachts im Brechhause und schimpften weidlich über den Bösewicht, der ihnen schon wiederholt den gebrochenen Flachs entwendet hatte. Um Mitternacht entstand plötzlich ein Sausen und heulend fuhr der Teufel durchs Brechhaus, einen Bündel Flachs mitnehmend. Die Mägde bekreuzten sich und fingen zu beten an. Sie meinten nichts anderes als der Teufel sei der Flachsdieb. Der aber fuhr den Haselbachsteg hinab, über den der Dieb, der den Dirnen immer den Flachs gestohlen hatte, seinen Weg nehmen mußte und legte sein Flachsbündel dort nieder. Bald darauf kam der Dieb um wieder nach dem Brechhaus zu schleichen. Als er das Bündel sah, griff er gierig darnach, glitt aber aus, stürzte kopfüber ins Wasser und ertrank. Ein Marterl an der Brücke gedenkt des Vorfalles.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DER PFENNIGBERG

Ein Hügel bei Hofdorf heißt noch gelegentlich der Pfennigberg. Von ihm geht die Sage, daß dort ein stolzes Schloß inmitten eines Birkenwaldes gestanden sei. Der Schloßherr war ein Prasser für sich, ein Geizhals anderen gegenüber. Die Hofdorfer hatten nach altem Herkommen das Recht, aus dem Walde für ihren Bedarf Birken zu holen. Der Schloßherr aber widersetzte sich dem alten Recht, so daß längere Zeit das Birkenholen unterblieb. Einmal geschah es, daß eine längere Trockenheit einsetzte und die Aitrach versiegte. Es mangelte an Wasser. In dieser Not erhofften sich die Hofdorfer den ersehnten Regen durch einen Bittgang zur Wallfahrtskirche auf dem Dreifaltigkeitsberg. Sie wollten den Weg, den die Prozession nahm, mit Birken schmücken, mußten diese aber aus dem Schloßwalde holen, da es in der Umgebung sonst keine Birken gab. Der Schloßherr jedoch verweigerte wieder die Abgabe. Es kam zu Unterhandlungen und schließlich gab der Schloßherr nach. Die Hofdorfer sollten sich ihre Birken fällen dürfen, wenn sie - für das Blatt einen Pfennig entrichteten (2 alte Pfennige gaben einen Kreuzer). Das konnten die Hofdorfer nicht leisten. Sie beschlossen daher, die Birken heimlich zu holen und begaben sich zur Nachtzeit in den Wald. Der Schloßherr war entschlossen, mit der Waffe in der Hand jeden Einfall in seinen Wald zu begegnen. Mangels eines Wächters - sein Geiz erlaubte ihm nicht einmal das Halten eines Hundes - bediente er sich eines abgerichteten Hahnes, der laut krähte, wenn sich verdächtiges Geräusch bemerkbar machte. Um Mitternacht krähte nun der Hahn und plötzlich entstand ein schauerlicher Lärm. Es blitzte und donnerte und das Schloß versank mit allem was drinnen war in den Erdboden. Die Hofdorfer hören seither immer Mitternachts den Hahn krähen; nur am Vorabend des Fronleichnamstages unterbleibt es.

Dingolfinger Heimatmuseum

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

 

BESTRAFTE GOTTLOSIGKEIT

Es war einmal eine Frau, die nicht betete und nie Weihwasser nahm. Als sie eines Morgens Holz vom Hofe in die Stube trug, fand sie vor der Haustüre einen blutigen Fuß, vor der Stubentüre eine blutige Hand und auf dem Tisch in der Stube einen blutigen Kopf; hinter dem Ofen aber sah sie einen kohlschwarzen Mann stehen. Zitternd vor Furcht und Schrecken fragte sie denselben, warum vor der Haustüre ein blutiger Fuß liege und erhielt zur Antwort: "Weil du nicht betest und keinen Weihbrunn nimmst!" Dann fragte sie, warum vor der Stubentüre eine blutige Hand liege und die Antwort war wieder: "Weil du nicht betest und keinen Weihbrunn nimmst!" Zum dritten Male fragte sie, warum auf dem Tische ein blutiger Kopf liege und erhielt zum dritten Male die Antwort: "Weil du nicht betest und keinen Weihbrunn nimmst!" Sie fragte weiter: "Warum bist du schwarz?" "Weil ich der Teufel bin!" "Warum hast du so große Augen?" " Daß ich dich besser sehen kann!" > Warum hast du so große Füße?" "Daß ich besser laufen kann!" "Warum hast du so große Hände?" " Daß ich dich besser fassen kann!" "Warum hast du ein so großes Maul?" " Daß ich dich leichter fressen kann!" Und dann stürzte er auf die Frau los und verschlang sie. Der schwarze Mann war wirklich der Teufel.

Anmerkung: Man beachte in dieser Sage die Anklänge an das Märchen vom Rotkäppchen!

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

 

DIE ENTSTEHUNG DER WALLFAHRTSKAPELLE KOHLSTATTBRUNN

Dreiviertel Stunden von Grainet (Bezirksamt Wolfstein) entfernt liegt auf dem Wege nach Duschlberg das vielbesuchte Wallfahrtskirchlein Kohlstattbrunn. Über die Entstehung dieser Wallfahrt gibt uns ein Bild Aufschluß, das in dem Kirchlein oberhalb der Türe angebracht ist. Dieses Bild zeigt uns einen Jäger, der in der Nähe einer Quelle kniet und unterm linken Arm einen schwarzen Hasen mit feurigen Augen hält. Unter dem Bilde ist zu lesen:

"Ursprung der Wallfahrt Kohlstattbrunn. Lorenz Seidl, Häusler von Frauenberg ging an einem Sonntag im September 1753 zur Pfarrkirche nach Grainet. Er hatte ein Gewehr bei sich. An dieser Stelle erblickte er einen Hasen, dem er lange nachging. Jetzt läutete man zum Gottesdienste. Ganz erzürnt, verfluchte er den Hasen. Schwarz kam er unter seinen Arm. Er flehte zu Jesus und Maria und der Hase war verschwunden." Der schwarze Hase war wohl niemand anderer als der Teufel selbst, der den Sonntagschänder mit in die Hölle nehmen wollte. Zur Erinnerung und aus Dankbarkeit für seine Rettung ließ Seidl hier eine Holzkapelle erbauen, in der eine Muttergottesstatue von den Wallfahrern verehrt wird. Die Quelle bei der Kapelle gilt als heilkräftig.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

WENN'S AVEGLOECKLEIN LAeUT'T, WILL'S GOTT, IST RUHEZEIT

Beim St.. r in St. war man es von jeher gewöhnt, sich und das Vieh von Sonnenaufgang bis spät nach Sonnenuntergang zu schinden und zu rackern. Alles, was recht ist. Da ging nun einmal ein Nachbar zum St . . r hinüber und sagte zu ihm: "Hör', Nachbar! Glaubst du, daß es unserm Herrgott rechte Freude macht, wenn du nach dem Gebetläuten noch auf dem Felde stehst?" "Nix für ungut", antwortete jener, "aber jeder macht's, wie's ihm taugt. Wenn meine Bummerl einmal nach Gebetläuten zu weinen anfangen, dann mach' ich Feierabend wie du."

Des anderen Tages stand der St.. r wie sonst auf dem Felde und als das Aveglöcklein verhallt war, war er noch draußen. Auf einmal klang ein jämmerliches, herzzerreißendes Weinen an sein Ohr, so daß er den Pflug stehen ließ und sich umsah, woher denn das Geflehne komme. Er sah niemanden. Schon wollte er wieder weiterpflügen, als die Jammertöne sich wiederholten. Da gewahrte er, als er sich wieder umsah, daß die Ochsen die Köpfe trübselig zu Boden senkten und ihren Augen dicke Tropfen entrollten; dazu brachten sie so wehmütige Laute hervor, wie sie nur ein gequälter Mensch hervorzubringen vermag. Nun gedachte er der Worte, die er am vergangenen Tage gesprochen, machte das Kreuz und fuhr mit Pflug und Ochsen heimwärts. Von nun an gab es auch bei ihm zur rechten Zeit Feierabend.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DER TEUFEL UND DIE NAeHERIN

I.
In Kötzting lebte eine Näherin, die sich auf ihre Geschicklichkeit nicht wenig einbildete. Einmal sagte sie sogar: "Ich möchte gern mit dem Teufel um die Wette nähen!" Kaum hatte sie ausgesprochen, so stand der Teufel auch schon mit Nadel, Faden und einem Stück Hemdenstoff vor ihr und nahm sie beim Wort. Sie sollte mit ihm ein Hemd um die Wette nähen. Der Teufel gewann die Wette und nahm die Näherin mit. Er trug sie bis an die Isar, sprang mit ihr in den Fluß und stieg unter dem Wasser dahin bis zur Höllentür.

II.
Es war irgendwo noch eine andere flinke Näherin. Diese wettete auch einmal mit dem Teufel, wer von ihnen beiden am raschesten ein Hemd zu fertigen imstande sei. Sollte sie die Wette verlieren, so wollte sie dem Teufel zu eigen sein, gewinne sie, müsse der Teufel sie reich machen. Damit er nun mit dem Einfädeln nicht lange aufgehalten werde, fädelte der Teufel gleich einen ganzen Zwirnknäuel ein; aber zu jedem Stich mußte er infolge der Länge des Fadens immer dreimal um das Haus laufen. Die Näherin wurde daher zuerst fertig und warf dem Teufel die Arbeit lachend an den Kopf. Dieser hatte erst einen Ärmel vollendet. Er bezahlte die Wette, schlich beschämt davon und soll seither nie mehr gewettet haben.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DIE TEUFELSBESCHWOERER

Einige Hohenthaner Burschen beschworen einmal den Teufel. Sie gingen in der Christnacht auf die Kreuzstraße und zogen einen Kreis. In diesen stellten sie sich, gehörig vorbereitet, hinein. Neun Tage lang hatten sie weder gebetet, noch mit Weihwasser sich besprengt und neun Tage sich nicht gewaschen; jeder steckte in einem Gewande von neunerlei Tuch. Stumm standen sie da und ohne Bewegung. Der Wind pfiff seinen Walzer und das Käuzlein rief so schaurig wie noch nie. Endlich war es, als wären sie alle miteinander elektrisiert; durch ihre Körper ging ein Schlag und dann ein Zittern. Sie wollten schreien; aber ihre Kehlen waren wie zugeschnürt.

Vor ihnen stand der leibhaftige Teufel. Nachdem er sich die Gesellen einige Sekunden mit höhnischem Grinsen betrachtet hatte (den Burschen dünkten es Stunden), deutete er auf einen derselben und sprach: "Der mit der roten Zipfelhaube gehört mir!" Dieser gurgelte erst einige unverständliche Laute hervor und dann schrie er wie in Todesangst: "Wö denn grad i?" Flugs war er schon weg und mit ihm der Teufel.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DIE SAGE VON DER HOELLSCHLUCHT UND DEM HOELLBACH

Ein Bauer aus dem Bayerischen Walde fuhr vor vielen Jahren zur Schranne nach Deggendorf. Er hatte sein Getreide bald gut verkauft und so machte er sich einen guten Tag, trank aber mehr als er hätte trinken sollen. In berauschtem Zustand fuhr er abends wieder heim. Dort wo der Altbach aus der Schlucht braust, wollten die Pferde nicht mehr weiter. Er fluchte und hieb auf die Pferde ein; aber es half nicht. "Was mag da los sein?" dachte der Bauer; es dünkte ihm nicht recht geheuer und mit der einen Hand zog er den Janker über den Geldgurt vorne zusammen, mit der anderen langte er nach seinem Griffesten. Mit merklich zitternder Stimme rief er nun durch die Nacht - mittlerweile waren schon die Sterne am Himmel aufgezogen: "Wer is da?" Horch! ".. . is da?" klang geisterhaft das Echo zurück. Was aber ist das? Mit greulichem Basse ruft es aus dem Gebüsch: "Die Nacht ist mein, der Tag ist Dein!" "Das ist der Teufel!" sagte sich der Bauer; doch nahm er sich noch das Herz zu erwidern: "Sand Jesus, Maria und Joseph a be i da Nacht groast!" Da entstand ein Sausen und Krachen und unter fürchterlichem Gestank fuhr der Teufel durch die Schlucht hinauf und zur Hölle. Seit jener Zeit nun nennt man diese Schlucht die Hölle oder Höllschlucht und den Bach Höllbach.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DER TEUFEL ALS HOLZMACHER

Unweit Kühnham im unteren Rottale stand früher eine mächtige Eiche, die sich der Teufel zum Aufenthalte erwählt hatte. Einst ging ein Handwerker in dunkler Nacht von der Arbeit heim und an jener Eiche vorüber. Der Teufel war auf dem Baume mit Holzmachen beschäftigt und rief dem Vorübergehenden zu: "Gib mar a an Zwickl aufa!" Der Handwerker zog einen Scherz Brot aus der Tasche und reichte ihn dem Teufel hinauf. Da fuhr der Böse entsetzt zurück und schrie mit drohender Gebärde: "I kam da scho, wennst den Zwickl nöt hättst!"

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DER TEUFELSTISCH

Zwischen Bischofsmais und Triefenried liegt der Teufelstisch, ein Bergrücken, der seinen Namen von einem Felsblock hat, der auf seinem Gipfel liegt.

In alter Zeit, als die ganze Gegend noch dichter Urwald bedeckte, hauste hier der Teufel und jener Felsblock diente ihm als Tisch. Da kam der selige Günther und baute sich auf der Zellerwiese in der Breitenau seine Einsiedelei. Der Teufel saß gerade beim Nachtmahl, als das Glöcklein von Günthers Zelle zum ersten Male ertönte. Verblüfft horchte der Teufel erst einige Augenblicke auf; dann stieß er wütend mit einem greulichen Fluch gegen den Felsentisch, der noch heute schief steht und verließ mit einem Satze Berg und Gegend. Das Brot, das der Teufel zum Nachtmahle genießen wollte, hat sich in Stein verwandelt und ist ebenfalls heute noch zu sehen.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DER TEUFEL AM FENSTER

Bei einem Einödbauern unweit Pöcking kam der Teufel öfters nachts zu einer Magd ans Fenster und brachte ihr jedesmal Eierbrot und sonstiges Backwerk mit. Die Magd wußte nicht, wer der nächtliche Besucher sei; doch kam ihr derselbe unheimlich vor und sie sagte einmal zu ihm: "Zweng was bringst ma denn niar a Hausbrot mit?" Na, a sö(l)chas kann a da nöt bringa!" ward ihr zur Antwort. " Wö denn nöt?" forschte die Magd weiter. "Wei(l) dö tuschadn 1) Weibaleut 's Kreuz drüba machan", stieß der Teufel grimmig hervor. "Aus is, da Teufi!" schrie die Magd, schlug sich bekreuzend klirrend das Fenster zu und verkroch sich zähneklappernd in ihr Bett. Daraufhin wollte das Mädchen natürlich nichts mehr von einem Plauderstündchen am Fenster wissen. Der Teufel aber kam allnächtlich wieder und vollführte jedesmal einen Höllenlärm, wenn die Dirne sich nicht zeigte. In ihrer Bedrängnis ging diese zu einer alten, weisen Frau, welche ihr den Rat gab, sie solle ein Kränzchen aus Ehrenpreis, Kuhlkraut und Widridor, welches am Fron leichnamstage bei der Prozession mitgetragen worden ist, in ihrer Kammer aufhängen. Und dieses Mittel half. Nur einmal hörte die Magd den Teufel noch am Fenster klopfen und dann kläglich ausrufen: "Ehrenpreis, Kuhlkraut und Widridor ham mi um mein liabstn Schatz bracht!"

1) Tuschend = Wasser schüttend (beim Brotbacken).

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DER TEUFELSFELSEN MIT DER TEUFELSKANZEL

Die Straße zwischen Abbach und Saal wird von einem Hügelzuge, einem Ausläufer des Frankenjuras, begleitet, in dem ein kahler, hochaufstrebender Felsen sich besonders auffällig hervorhebt. Dieser Felsen führt den Namen Teufelsfelsen und seine eigentümlich geformte Spitze nennt man Teufelskanzel oder Predigtstuhl. Das Volk erzählt sich davon folgende Sage: Die Bewohner des Donautales waren sehr fromm und gottesfürchtig und der Segen des Himmels lag sichtbar auf ihren Fluren. Darüber ärgerte sich der Böse und er beschloß, das Volk von seinem Glauben abspenstig zu machen. In Mönchstracht bestieg er den höchsten Berg der Gegend, machte sich auf dessen Spitze eine steinerne Kanzel zurecht und fing an von hier aus zu dem Volke zu sprechen. Wenn es ihm folgen, seine Lehren beherzigen würde, sagte er, wolle er es reich und glücklich machen. Aber er wurde alsbald erkannt und niemand wollte ihn mehr hören. Darauf ergrimmte er, packte in seiner Wut ein Felsenstück und warf es in die Donau; dabei stampfte er mit dem Fuße so gewaltig auf den Boden, daß die Spur heute noch zu sehen ist.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DER TEUFELSRITT

Auf der Grubinger Gemeindeweide liegt ein mächtiger Granitblock, der an der Seite eine ausgewaschene Stelle in Form eines Pferdehufes zeigt. Das Volk sagt, daß hier der Teufel gerastet habe als er einen Kornwucherer der Gegend geholt und während der Rast habe sich ein Huf auf dem Steine abgedrückt. Nach einer anderen Erzählung hauste in Grub einmal ein großer Säufer, der sich Tag für Tag in Altrandsberg volltrank und nie vor Mitternacht heimging. Eines Tages aber war er wie umgewechselt und er ließ sich von da an überhaupt nicht mehr im Wirtshaus sehen. Erst nach Jahr und Tag erfuhren seine Freunde den Grund hievon. Als er nämlich selbiges Mal durchs Gruberholz heimwankte, so erzählte er, sei ihm plötzlich etwas auf den Rücken gesprungen. Kein Schütteln half. Samt seiner unbequemen Last sei er wie von unsichtbaren Händen vorwärts gedrängt worden und bei dem großen Stein auf der "Woad" erschöpft niedergestürzt. Dabei sei der Teufel, denn der war es, der ihm auf dem Rücken hing, auf den Stein gesprungen, daß d ie Funken davonsprühten und man am andern Morgen die Pferdehufspur auf ihm gewahrte.

Heinz Waltinger

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

SAULOCH

Wer von Deggendorf aus einen Ausflug nach Ulrichsberg unternimmt, macht den Aufstieg am besten über Einkind und den Abstieg durch die Saulochschlucht.

Sauloch - welch gemeiner, unpoetischer Name! (Jener Dame ist es gewiß nicht zu verübeln, wenn sie auf Befragen, wo sie herumgestiegen, zur Antwort gab, sie sei auf dem Ulrichsberg gewesen und habe den Heimweg durch die - Schweinsöffnung genommen.) Aber wer einmal diese Schlucht durchwandert, vergißt über das herrliche Bild der Natur den derben, ungehobelten Namen. Die Saulochschlucht, so erzählt man, soll sich der Teufel in früheren Zeiten gerne gewählt haben, um dort mit den Hexen sein Spiel zu treiben, Felsblöcke zum Ballwerfen benützend. Heutzutage noch sieht man diese Felsstücke liegen. Es dünkt, als habe sie eine ordnungsliebende Hand beiseite geräumt und hübsch an- und übereinandergerichtet um sie gegebenen Falles gleich wieder bereit zu haben.

In einer stürmischen Nacht soll der Teufel hier auch einmal Kegel geschoben haben. Statt Kugeln und Kegeln bediente er sich gleichfalls entsprechender Felsblöcke.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

 

HAIMONSKINDER

Um Bischofsmais erzählt man: Einmal verlief sich ein Pferd von der Weide. Als dies am Abend bemerkt wurde, gingen der Bauer und drei seiner Knechte fort, es zu suchen. Endlich fanden sie es mitten im Walde. Bald war es eingefangen. Einer der vier Sucher stieg gleich auf den Gaul. "Warum soll ich gehen?" meinte ein zweiter und stieg auch auf. Da wollten die beiden anderen auch nicht zu Fuß traben und setzten sich ebenfalls so gut es ging auf des Pferdes Rücken. "Reiten wir aber langsam, daß wir den Gaul nicht erdrücken!" sagte der Bauer. "Freilich! Freilich! - In Gottes Namen kann's losgehen!" rief der Hintere und schlug das Pferd in die Lende. Aber kaum hatte er ausgesprochen, verspürten die vier Haimonskinder einen Stoß und - saßen auf einem umgestürzten alten, halbverfaulten Baumstamm. Für diese Nacht ließen sie das Pferdesuchen sein.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DIE VERSCHUNDENE FRAU

Auf dem über Schalterbach sich hinziehenden Höhenweg von Metten nach Deggendorf stand früher ein Marterl, über dessen Errichtung man folgendes hört:

Ein Mann ging mit seiner Frau einmal von Metten nach Hause. An der Stelle, an der das Marterl stand, blieb die Frau stehen und sagte zu ihrem Manne: "Geh nur langsam voraus, ich komme gleich nach!" und als der Mann eine Strecke gegangen war, hörte er plötzlich hinter sich einen fürchterlichen Schrei. Er eilte zurück, fand jedoch keine Spur mehr von der Frau. Dieselbe ist auch später nicht mehr zum Vorschein gekommen. Zur Erinnerung an diese Begebenheit wurde das Marterl aufgestellt.

Vielleicht hängt diese Erzählung mit einem alten Volksglauben zusammen, nach der eine Frau, welche sich nach ihrer Entbindung nicht hervorsegnen läßt, in Abwesenheit des Mannes vom Bösen, welcher genau Gestalt und Stimme des Mannes annimmt, aufgesucht und auf Nimmerwiedersehen mitgenommen wird?

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DIE HAZARDSPIELER

In jener Zeit, als das Geld auf dem Lande noch kein so spärlicher Gegenstand war wie heutzutage, da mancher mit Guldenzetteln seine Zigarren anzündete und den Bombardon der Musikanten mit Talern füllte, da waren im Bayerischen Walde drinnen drei Bauern, welche, von einer unsagbaren Spielwut erfaßt, schier jede Nacht sich in einer einsamen Brechhütte zusammenfanden - im Wirtshaus durften sie sich nicht getrauen, weil das Auge des Gesetzes sie hätte erspähen können und zu Hause hätte die bessere Hälfte vielleicht ein derbes Wörtlein gesprochen - und da spielten sie oft bis der Morgen graute. Die Taler flogen nur so als hätte Rotschild seinen Geldsack geborgt und nicht selten hatte einer etliche hundert Taler verspielt, wenn sie sich auf den Heimweg machten. Lange trieben sie ihr nächtliches Spiel unbelauscht. Einmal aber, die Zeiger der Uhr wiesen auf 1 Uhr, pochte eine schwere Faust an die Türe. Erschrocken sprangen die drei auf und räumten hurtig Taler und Karten beiseite; dann erst öffneten sie. Draußen sta nd ein flotter Jägersmann. Mit spöttischem Lächeln betrachtete er vorerst die verdutzten Gesichter; dann sagte er, daß er ihnen schon längere Zeit durch eine Ritze in der Tür zugesehen habe und nun auch mit ihnen spielen wolle. Die Bauern waren einverstanden und nahmen den Fremden mit in die Hütte. Hei, das war eine Ernte für unsere Waldler! Der Jäger verlor eine Handvoll Taler um die andere; aber nichtsdestoweniger behielt er seinen Gleichmut.

Stern um Stern verblich und sie spielten noch. Da fiel einem Bauern ein Taler unter den Tisch. Er bückte sich, ihn aufzuheben. Wie erschrak er, als er gewahrte, daß der fremde Jägersmann keine Füße wie wir Menschen, sondern er Bockfüße hatte! In seinem Schrecken schrie er: "Der Teufel!" und stürzte zur Türe hinaus, die beiden anderen ihm nach. Eben läutete im nahen Dorfe die Kirchenglocke den Tag an. Das war ein Glück für die Bauern; denn der Teufel, der sich wirklich als Jägersmann in ihre Gesellschaft eingedrängt hatte, hätte sie ohne Zweifel mitgenommen, würde ihn nicht die Morgenglocke überrascht und verscheucht haben.

In der Wirtsstube zu Patersdorf saßen eines Sonntags nachts noch vier Gäste beisammen, von denen drei aus dem Orte selbst waren, der vierte aber fremd war. Der letztere fragte die anderen, ob sie nicht bereit wären ein Spielchen zu machen. Sie bejahten. Aber bald war ihnen nicht mehr wohl zu Mute; denn sie verloren Spiel auf Spiel und nur der Fremde gewann. Das konnte unmöglich mit rechten Dingen zugehen. Da fiel einem der Spieler eine Karte unter den Tisch und als er sich bückte, gewahrte er, daß der Fremde einen Ziegenfuß hatte. Er machte seine Freunde darauf aufmerksam. Die drei Patersdorfer hielten sich schon für verloren. Sie warfen die Karten auf den Tisch und fingen an, erbärmlich um Hilfe zu schreien. Daraufhin kam die Wirtin mit der Magd zur Türe herein. Als letztere die Ursache des Lärmes hörte, rief sie: "Feiglinge, warum zittert ihr? Wirtin, mir nach!" Nun stürzten die zwei Weiber wie toll auf den Teufel los und beohrfeigten ihn derart, daß er auf und davon lief, indem er schrie: "Gegen Weiber ri chtet der Teufel nichts aus; da heißt's reißausnehmen!"

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DER TEUFEL MIT DER ESELSHAUT

Der Teufel schlich sich einmal in die Kirche und schrieb die Leute, welche zerstreut und unandächtig waren auf. Zu diesem Zwecke benützte er eine Rolle gegerbter Eselshaut. Eines Tages nun kam er im Bayerischen Walde drinnen in das Pfarrdorf Wollaberg. In der Kirche, die droben am Berggipfel steht, war eben Gottesdienst. Er ging in die Kirche hinein und bestieg die Kanzel um alle Anwesenden übersehen zu können. Er bekam auch genug Arbeit; denn die Unandächtigen waren so zahlreich, daß die Rolle zu klein zu werden drohte. Schließlich war die alte Schmiedin noch die einzige Person in der Kirche, die noch nicht auf der Eselshaut geschrieben stand. Um noch Raum zu gewinnen, wollte der Teufel die Haut dehnen. Zu diesem Zwecke trat er mit den Füßen auf das untere Ende derselben und mit den Händen und Zähnen zog und streckte er am oberen. Plötzlich zerriß die Haut und der Teufel schlug sich den Kopf ordentlich an die Wand. Die alte Schmiedin hatte das beobachtet und konnte sich des Lachens nicht mehr enthalten. Nun schrieb der Teufel auch sie auf.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DER NATTERNBERG

Den Teufel ärgerte schon lange das Kloster Metten und er wollte die frommen Mönche vertilgen. Da trug er nun bei Nacht und Nebel einen riesigen Felsblock aus dem Gebirge. Er wollte ihn in die Donau werfen, damit dieselbe aus den Ufern trete und Metten überschwemme. Als er zum Wurfe ausholte läutete man in Metten eben den Tag an. Dadurch erschrak der Teufel derart, daß ihm der Felsblock entglitt und hart am jenseitigen Ufer niederstürzte. Schleunigst entfloh er zur Hölle. Auf dem Berge nisteten sich bald viele Kröten und Nattern ein, darum erhielt der Berg den Namen Natternberg.

Nach einer anderen Sage sind die Deggendorfer in früherer Zeit arg fromm gewesen, was den Teufel recht verdrossen hat. Da hat er hin und her überlegt, wie es zu machen sei, daß das anders werde. "Ei, wenn sie nimmer sind, dann ist auch ihre Frömmigkeit abgeschafft", dachte er, flog hurtig nach dem Süden, brach aus dem steinernen Grenzwall drunten ein riesiges Felsstück los, lud es auf seinen Schubkarren und trabte damit wieder der Donau zu. Das geschah in stockfinsterer Nacht. Der Felsen sollte die Donau stauen und die Flut die Deggendorfer ertränken. Als er dem Strome bereits nahe war, klang plötzlich vom andern Ufer aus der Mettener Klosterkirche her die Morgenglocke. Als hätte ihn eine Hornisse gestochen, so fuhr der Satan auf, ließ Karren und Felsblock stehen und floh mit greulichem Fluche aus der Gegend.

Der Fels wimmelte bald von abscheulichen Nattern und man gab ihm daher den Namen Natternberg.

Die Großmutter erzählt, daß man die Schubkarrenhörner und die beiden Griffenden heute noch sehen könne und mancher von den Buben aus der Gegend hat schon Nachschau gehalten.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

'S GHACHLET

Unterhalb Vilshofen war bis in die neueste Zeit die Donau durch eine Menge von Felsblöcken, die teils über den Wasserspiegel hervorragten, teils unter demselben verborgen waren, schwer befahrbar. Der unkundige Schiffer konnte sein Fahrzeug leicht leck fahren, wenn es ihm nicht gar zerschellte.

Das Ghachlet 1) heißt hier die Donau mit dem Gewirr von Felstrümmern.

Als die deutschen Kreuzfahrer ins Heilige Land zogen um die geweihten Stätten den Ungläubigen wieder zu entreißen, da war der Teufel gar sehr erbost und schon als die ersten vollbesetzten Schiffe die Donau herabtrieben, stand er, einen ungeheueren Felsblock in den Krallen, auf der Lauer. Mit Mann und Maus sollten die Schiffe untergehen. Aber als er sich dem Ufer des Stromes näherte, da schimmerte ihm bereits aus der Ferne tausendfach jenes Zeichen entgegen, das er so fürchtet und haßt: das Zeichen des Kreuzes. Die Ritter trugen es an ihren Mänteln und statt des Schwertknaufs und die Priester, die den Zug begleiteten, hielten es in den Händen.

Noch ehe die Schiffe in erreichbarer Nähe sich befanden warf der Teufel voll Ingrimm den Felsen in die Wellen, daß er in tausend Trümmer zersprang. Die Donau schäumte hoch auf; aber die Schiffe glitten unbeschädigt durch die Klippen.

1) "A recht's Ghachlat!" sagt die Mutter, wenn ihr die Katze über das Strickzeug kommt und es verwirrt; sie meint also: "A rechta Durchananda!" und das dürfte auch die Bedeutung des Wortes "Ghachlet" sein. "Kachlet" ist offenbar ebenso zu unrecht eingeführt wie z. Z. "Etwashausen" für das schwäbische Ebbashausen.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

 

DER TEUFEL IN VORNBACH AM INN

Als die Benediktiner noch zu Vornbach am Inn saßen, kam der Teufel öfters in die Gegend und hielt Umschau, wie er es wohl anstellen könne um sie zu vertreiben. Dann machte er sich auf nach Tirol, lud einen ungeheueren Felsblock auf einen Schubkarren und fuhr damit innabwärts. Er wollte in der Nacht das Wasser des Inns stauen, so daß das Kloster Vornbach plötzlich überschwemmt würde und die Mönche ertrinken müßten. In Leithen setzte er die Last nieder um etwas zu rasten. Da läutete man in Vornbach den Tag an. So mußte der Teufel den Felsen liegen lassen und unverrichteter Dinge zur Hölle zurückkehren.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DAS GEHAEKELT AN DER HOHEN WAND

Auf tiefgetauchten Kähnen schwamm Kaiser Rotbarts Heer
Hinunter auf der Donau, hinab zum fernen Meer.
Hie Fürsten und hie Ritter und Kriegsleut' aller Art,
Hie Bischof und hie Mönchlein - es war 'ne bunte Fahrt.
Sie zogen frommer Sinnen in das gelobte Land,
Mit Kreuzen auf den Mänteln, mit Waffen in der Hand.
Es waren, wie man schreibet, wohl vierzigtausend Mann,
Der Kaiser zog den Seinen als treuer Held voran.
Sie hatten jüngst vernommen - und Zorn schwellt jede Brust -
Der Heiden freches Treiben, Jerusalems Verlust.
Wie Mohren und Mamluken mit Feuer und mit Schwert
Die Christen aufgerieben, das heil'ge Grab entehrt.
Das mocht' er nimmer leiden, der tapf re Barbaross',
Drum sandt er seine Boten durch's Reich von Schloß zu Schloß.
Drum sammelt' er behende ein kampfgeprüftes Heer
Und führt' es auf der Donau hinab zum fernen Meer.
Am Strome liegt ein Städtlein, Vilshofen ist's genannt,
Nicht fern davon erhebet sich steil die hohe Wand.
Und als zu ihren Füßen Herrn Friedrichs Nachen schwamm,
Geschah ein wild Rumoren hoch auf dem Felsenkamm.
Der fromme Kaiser blicket hinan die dunklen Höh'n
Und sieht da mit Entsetzen leibhaft den Bösen steh'n.
Er stand in einer Wolke, ein Unhold riesengroß
Und rüttelte vom Berge mit Macht den Gipfel los.
Und schwang in starken Armen den Fels und schnob und flucht'
Und schleuderte hinieder die ungeheure Wucht.
Und als ob ihren Häupten die grause Masse schwebt,
Däucht alles sich verloren, das kühnste Herz erhebt.
Der Kaiser aber langet still nach dem Kreuzesbild
Und streckt es voll Vertrauen empor als seinen Schild.
Und sieh! der Berg zerstiebet, wie Spreu vom Wind verführt,
In splitterndes Getrümmer, eh' er den Strom berührt.
Rings um die Schiffe stürzt er unschädlich in die Flut;
Der Böse flieht und ächzet Gestöhn ohnmächt'ger Wut.
Noch heut' ragt das zerschellte Gebirg aus tiefem Grund
Und tut, was da geschehen, der späten Nachwelt kund.


A. Müller

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DIE HABERKIRCHE

Der Steinkart ist eine große, zwischen Reutern und Griesbach an der Rott gelegene Waldung und hat seinen Namen von den vielen zerstreut umher liegenden Felstrümmern. Einen der größten dieser Blöcke wählte der Teufel einmal um damit den Markt Griessach, der ihm wegen seiner frommen Bewohner längst ein Dorn im Auge war, zu zerstören. So wenig es ihm aber einst mit Metten gelang, ebensowenig glückte es ihm mit Griesbach; denn als er keuchend unter der schweren Last so fürbaß schritt, erklang von Reutern herüber der Klang der Morgenglocke. Ärgerlich lehnte der Satan seine Bürde an einen anderen Felsblock und verschwand. Dieser Stein heißt im Volksmund die Haberkirche; denn er hat genau die Form einer Kirche und zeigt noch deutlich die Abdrücke von Hand und Rücken des Teufels. Die Haberkirche bildet mit dem Nachbarblocke zugleich ein Tor, welches einst ein Fuder Heu bequem passieren konnte. Mit der Zeit hat sich jedoch der Durchgang so verengt, daß heute kaum mehr ein Mann aufrecht hindurchzugehen vermag.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DER TEUFEL ALS KOCH

In der Gegend von Fürsteneck halfen sich die Bauern gegenseitig beim Dreschen aus. Abends setzte man sich immer zur "Dreschersuppe" gemeinsam um den Tisch. Einmal gab es Dreschersuppe bei einem Bauern in Aschberg. Die Bäuerin war eine Hexe. Sie hatte einen kranken Fuß und der schmerzte sie seit einiger Zeit schon sehr arg. Es war ihr unmöglich abends die Mahlzeit herzurichten. Da kam ein schwarzer Mann mit Hundepfoten ins Haus, stellte sich an den Herd und schürte und kochte. Als es Zeit war setzten sich die Leute an den Tisch und ließen sich's wohl schmecken. Ein Knecht, der zufällig an die Küchentüre ging um Salz zu holen, bemerkte den schwarzen Koch beim Ofen und sah, wie er mit seinen Hundepfoten den Pfannenboden abkratzte. Daraufhin verging dem Knecht aller Appetit und es war ihm unmöglich, noch etwas zu essen. Am nächsten Tage erst erzählte er was er gesehen. Da entsetzten sich alle Leute. Auch die Polizei erfuhr von der Sache. Darauf wurde die Bäuerin in den Turm geschleppt und, nachdem ihr der Prozeß gemacht worden war, oberhalb Eisenbärnreut in dem Walde, der heute noch den Namen "der Galgen" führt, auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DER TEUFELSWEBER VON GOTTESZELL

Ein Weber in Gotteszell ging mit dem Teufel einen Vertrag ein, in dem er ihm seine Seele verschrieb, wenn baldigst ihm er einen tüchtigen Gesellen zur Arbeit sende. Eine Zeit lang ging es gut. Der Weber ließ den Webstuhl klappern und brachte doppelt soviel fertig als früher. Der Gehilfe des Satans, den er stets vor der Arbeit mittels eine Schwarzbuches rufen mußte, wirkte unsichtbar mit. Da, am Hl. Abend, ging auf einmal alles verkehrt. Der Webstuhl knarrte und wollte nicht mehr in Gang kommen. Das Schifflein verwickelte sich im Garn, die Fäden waren größtenteils abgeschnitten und waren sie geknüpft, raps! hingen sie schon wieder lose herab; schließlich war das ganze Garn zu einem Rabenneste verwirrt und nicht mehr in Ordnung zu bringen. Erst als noch die kleine sechsjährige Liese, welche mit Abspülen beschäftigt war, plötzlich mit Gewalt von ihrem Schemel gehoben und derart unter den Tisch geschleudert wurde, daß sie eine Weile bewußtlos liegen blieb, erkannte der Weber, daß der Teufel Unsinn treibe. Er hat te im Schwarzbuch, als er wieder den höllischen Gesellen zur Arbeit zitierte, eine unrichtige Seite erwischt und einen des Webens unkundigen Geist gerufen. Dem Weber war nun angst und bange; er glaubte, der Teufel wolle gar den Vertrag brechen, vor der Zeit streiken und seine Seele holen. In seiner Angst lief er spornstreichs zum Pfarrer und bat ihn um Hilfe. Der trieb den Teufel mit vieler Mühe aus. Die Leute aus der Umgebung hießen den Weber nur mehr den Teufelsweber und mieden ihn. Ohne Arbeit und Verdienst mußte er die Gegend verlassen und soll nach etlichen Jahren in fremdem Lande verhungert sein.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DIE HOELLMUEHLE

Wenn man von Hintereben aus den Fußweg nach Fürholz hinüber geht, kommt man bald in ein Tal, das der Osterbach durchfließt, an dessen Wassern eine Mühle ihr Räder schwingt, welche den Namen Höllmühle trägt. Sie heißt Höllmühle, weil sie, wie der Volksmund erzählt, in früher Zeit einmal dem Teufel zum Aufenthalte gedient hat. Damals lebte auf dieser Mühle ein Müller, der es mit seinem Gewissen und dem Mehle seiner Kundschaft gar nicht genau nahm. Eines Nachts kam der Teufel zu ihm und sagte: "Müller, du gehörst mir!" "Warum denn?" fragte erschrocken der Müller. "Weil du unter allen Müllern hier herum der größte Dieb bist!" "So?" sagte der Müller. "Ich möchte sehen, was du tätest, wenn du der Müller wärest!" Und der Teufel erklärte, er wolle den Müller vierzehn Tage lang ablösen; wenn er aber die Leute noch mehr betrüge als der Müller, so solle der Müller aus seiner d. h. des Teufels Gewalt sein. Als nun die Leute zur Mühle kamen, staunten sie; denn sie bekamen jetzt immer doppelt soviel Mehl mit als früher. A ber wenn sie zu Hause waren und das Mehl von den Säcken in die Truhen leerten, da hatten sie kein Mehl vor sich, sondern kohlrabenschwarzen Ruß. Nachdem endlich die vierzehn Tage um waren sagte der Teufel zum Müller: "Siehst Du, Bürschlein, nun gehörst Du mir; ich habe den Leuten doppelt soviel gegeben als Du!" " Hollah!" entgegnete der Müller, "Du hast ihnen alles gestohlen, da sie nur Ruß heimbrachten!" Da schmunzelte der Teufel und ließ den Müller in Ruhe.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

 

DAS WIRTSHAUS IN STEG

Wer war schon in Ering und kennt das "Wirtshaus in Steg" nicht? Gewiß wird sich jeder erinnern können, daß an diesem Wirtshaus oben an der Mauer ein Loch sich befindet und verwundert wird er den Kopf geschüttelt und gedacht haben: "Warum mauert man das Loch nicht zu?" Die Sache hat ihre eigene Bewandtnis.

Der Teufel, der bekanntlich in früheren Zeiten den Menschen allerlei Schabernack gespielt hat, wollte die Eringer einmal mit einem hübschen Bau, der aus seinen Händen hervorgegangen, überraschen und er baute da eines Nachts ein Haus, das heutige Wirtshaus in Steg. Bis auf das jetzt noch sichtbare Loch war es bereits fertig, als die Kirchenglocke den Tag anläutete. Beim dritten Glockenton war der Teufel schon - beim Teufel. Er reist ja flinker wie der Blitz. Und jenes Loch blieb unausgefüllt und bleibt es wohl für alle Zeiten. Man hat es freilich schon einigemale zugemauert; aber über Nacht war es jedesmal wieder aufgebrochen gewesen.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DER TEUFEL ALS WILDSCHUETZ

In Holzgattern, eine Viertelstunde von Sonnen entfernt, hauste in früherer Zeit einmal eine Bande von Wilderern. Sie hatten in der Nähe eine Höhle, in der sie ihre Waffen und ihre Beute verborgen hielten. Einer unter ihnen war besonders eifrig und glücklich im Jagen. Man wußte aber nicht woher er war, ja man kannte nicht einmal seinen Namen recht. "Nennt mich nur Franzl!" sagte er immer, wenn man ihn darnach fragte. Als die Gesellen wieder einmal reich mit Wild beladen aus dem Böhmischen heimwärts zogen, blieb Franzl zurück und sagte zu seinen Diebsgenossen: "Wenn ihr in die Karlleithe kommt 1) so seht in die Höhe!" In der Karlleithe hörten die Wildschützen plötzlich ein mächtiges Brausen in der Luft und sie sahen ihren Kameraden auf einer Wolke daherreiten. Nun wußten sie, mit wem sie es zu tun gehabt.

1) Ein Wald zwischen Holzgattern und Sonnen.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DER FROMME BAUER

Ein Bauer aus Patersdorf stand einmal vor Sonnenaufgang auf seinem Felde es zu pflügen. Da hörte er vom Dörflein her die Kirchenglocke den Tag anläuten. Er ließ Pferd und Pflug rasten, wendet sich der Kirche zu, kniete nieder und verrichtete ein andächtiges Gebet. Als er dann wieder an die Arbeit ging, wie staunte er! Da stand ein Engel hinter dem Pfluge und pflügte.

In der Kirche zu Patersdorf findet sich ein Bild, auf dem diese Begebenheit dargestellt ist.

Zwischen Neßlbach und Sattling pflügte ein Bauer seinen Acker. Da rief die Glocke der Pfarrkirche zur Frühmesse. Der Bauer, der ein frommer Mann war, verließ sein Gefährte und eilte zur Kirche. Als er hernach die Arbeit wieder fortsetzen wollte, fand er alles geschehen. Während er in der Kirche betete, hatte Gott einen Engel gesandt, der für ihn den Pflug führte.

Heute erinnert eine Blechtafel an der Stelle noch an dieses Geschehnis.

Anmerkung: Zwei volkstümliche Übertragungen der alten Isidorlegende

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

JUNGFRAU MECHTILD AUF DEM HOHENBERG BEI BERNRIED IN NIEDERBAYERN

Bei einem Bauern auf dem Hohenberg war eine Jungfrau, die gut gelebt hat und gut gestorben ist, hat Mechtild geheißen. Wenn sie bei der Arbeit war und es hat zur Messe geläutet, so hat sie die Sichel in die Luft geworfen und diese ist immer in der Luft hängen geblieben. Ist sie zur Kirche gekommen, so ist die Kirchentüre von selbst aufgegangen. Der Hohenbergweg geht über einen Graben. Der ist einmal so voll Wasser gewesen, daß Mechtild nicht hinüber gekonnt hat. Da hat sie vom Zaun am Schrankengitter einen Pfahl herausgerissen und über den Graben gelegt. Weil sie aber den Zaunstecken nicht wieder an seinen Ort zurückgebracht hat, ist die Kirchentüre nie mehr von selbst aufgegangen. Auf das hin hat sie dann den Zaunstecken wieder in den Zaun gesteckt und da ist die Kirchentüre aufgegangen wie zuvor.

Die Alten haben gesagt: "Tut keinen Zaun verreißen, es ist eine Sünde!"

Nach Panzer

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DAS MARTERL IM NEUBURGER WALDE

Eine Stunde von Fürstenzell in der Richtung gegen Sandbach befindet sich das aus zerstreuten Häusern bestehende Dorf Jägerwirth, das seinen Namen von einer früher abseits stehenden Diensthütte mit Bierschenke erhielt. 1) Wer von diesem Dorfe aus nach dem eine halbe Stunde entfernten Rehschaln wandert, bemerkt an der Straße, welche durch einen Ausläufer des bekannten Neuburger Waldes führt, links von einer Sandgrube ein altes, morsches Marterl. Nur undeutlich sind noch die bittenden armen Seelen zu erkennen. Wind und Wetter haben es arg mitgenommen. In dieses Marterl nun knüpft sich eine eigentümliche Sage, welche ihre Entstehung der Ehrfurcht des Volkes vor den Gaben Gottes verdankt.

Es war an einem der vielen Feiertage, welche das Landvolk noch im verflossenen Jahrhundert kannte, als sich eine zahlreiche, lustige Gesellschaft beim "Jägerwirth" versammelt hatte. Förster und Jäger, Burschen und Mädchen aus den Bauernhöfen und Dörfern der Umgegend hatten sich eingefunden, sprachen fleißig dem Kruge zu und da sich auch eine fidele Musik gefunden hatte, welche ihre fröhlichen Weisen ertönen ließ, so wurde der grüne Rasen vor dem Jägerwirtshause bald unter den Füßen der Tanzenden zerstampft und zertreten. Schon wurde es dunkel und noch hatten die Kehlen nicht genug des braunen Trankes. Aber ein schnell heraufgezogenes Gewitter brachte bald Schluß in das übermütige Leben und Treiben. Man flüchtete unter Dach und Fach und als Blitz und Donner allmählich verstummt waren, machte man sich auf den Heimweg. Nach allen Richtungen ging es auseinander, mancher schwankenden Schrittes ob des zu viel genossenen Bieres.

Auf der Straße nach Rehschaln schritten zwei Burschen und eine Dirne, die Kinder eines vermöglichen Bauern aus der Umgegend. Auch sie schienen nicht ganz nüchtern geblieben zu sein; denn ihre Gesänge waren mehr lärmend als melodisch. Just dort, wo heute das Marterl steht, brach das fahle Licht des Mondes durch die Tannenäste und erhellte eine über die ganze Straßenbreite sich erstreckende Pfütze. Die beiden Burschen stapften hindurch; aber die Schwester nahm in überlustiger Laune eine Semmel, die sie vom Wirte mitgenommen hatte und warf sie in die Mitte der Pfütze. Sie sollte ihr statt eines Steines zum Überspringen dienen, damit die Schuhe nicht schmutzig würden. Kaum war der Sprung auf das Brot getan, so war das Mädchen verschwunden. Der Erdboden hatte es verschlungen. Die beiden Brüder eilten leichenblaß, Angstschweiß auf der Stirne, nach Hause. Der Schrecken hatte ihre Zunge gelähmt. Sie vermochten kein Wort zu sprechen. Erst am anderen Tage waren sie imstande, das schauderhafte Begebnis zu erzählen.

1) Jägerwirth = Wirt der Jäger.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DIE MUTTERGOTTES VON STUBENBERG

In der Kirche zu Stubenberg stand früher eine Muttergottesstatue, die mit reichem Gold- und Silberschmuck behängt war. Ein armer Schuster aus Tann stattete nun der Gottesmutter eines Tages einen Besuch ab, wobei er alle ihre Pretiosen in seinen Verwahr nahm. Er hatte schon das letzte Silberspänglein in seiner Tasche verschwinden lassen und griff nun mit einem höhnischen "Vergelt's Gott!" nach der Hand der Holzfigur, als diese auf einmal Leben bekam und mit eisernem Griffe sich um die Diebskrallen legte. Da war nun dem Kirchenräuber wohl nicht mehr fröhlich zu Mute. Das Blut schien ihm zu erstarren, die Haare stiegen ihm zu Berge und die Augen drohten aus ihren Höhlen zu treten. Die Beraubte sprach: "Warum hast du mir das getan?" Heiser stotterte er hervor: "Ich wollte nur mit Weib und Kind nicht verhungern!" "Für diesmal", erwiderte die Gottesmutter, "will ich dich noch frei lassen; aber ich sage dir: in sieben Jahren wirst du wieder kommen, mich zu bestehlen; dann, wahrlich, sollst du der Strafe nicht mehr entgehen" und sie entließ ihn aus ihrer Gewalt. Ihre Prophezeiung ging in Erfüllung. Als nämlich sieben Jahre um waren, kam richtig der Schuster wieder und wollte die Marienstatue zum zweiten Male berauben. Diesmal wurde er solange festgehalten, bis der Pfarrer des Ortes, der zufällig in die Kirche trat, ihn der Polizei übergab.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DER TEUFELSRITT EINES HIRTENJUNGEN

Die Königswiese bei Burgdobl war vor vielen hundert Jahren ein See, der sich von Neuhaus am Inn bis Tutting, ja noch früher bis Malching hinzog. Als die fast turmhohe Felswand, welche seinen Abfluß verhinderte, durchbrochen wurde, floß der See ab und wurde bald fruchtares Weideland, das im Sommer einmal gemäht, hernach abgehütet wurde. Die Hütbuben tummelten da die Pferde ihrer Bauern, daß es eine Freude war.

Einmal sah ein Hütbube beim Abendgrauen in einem Graben einen alten, dürren Gaul liegen. Er wollte ihn mit einer Gerte aufjagen; die Mähre rührte sich jedoch nicht. Nun setzte er sich auf deren Rücken; da war sie wie der Blitz auf und sauste über die Ebene, daß dem Jungen Hören und Sehen verging. Voll Angst hielt er sich an der Mähne fest und als er das Gleichgewicht zu verlieren drohte, umklammerte er den Hals des Tieres, das schier in der Luft zu fliegen schien. Erst beim Morgengrauen blieb das Roß stehen und schüttelte sich so gewaltig, daß der arme junge Reitersmann zu Boden geschleudert wurde. Das geschah aber mit einer solchen Heftigkeit, daß er eine gute Weile ohne Besinnung liegen blieb. Als er wieder zu sich kam und um sich sah, erfuhr er, daß er zu Reichenhall sei.

Das Volk nimmt an, daß der Gaul der Teufel selber gewesen sei.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

HERKOMMEN DES PFINGSTRITTS ZU KOETZTING

Aus nah und ferne kommen zu Kötzting am Pfingstmontage morgens berittene Männer und Burschen zusammen, die in paarweiser Ordnung zur Kirche des heiligen Nikolaus in Steinbühl einen Kreuzgang ausführen. Voraus reitet ein Geistlicher mit dem Allerheiligsten, dann der Mesner, Fahnen- und Bildträger. Nachdem der feierliche Gottesdienst abgehalten und in einer wunderherrlichen Waldgegend und den um das Kirchlein aufgeschlagenen Wirtszelten einige Rast gemacht ist, steigt alles wieder zu Pferd und man kehrt in fröhlicher Stimmung zurück nach Kötzting. Selten, daß es beim Heimreiten im Gedränge ungeschulter Rosse und meist unsicherer Reiter zu einem Unfall kommt. Der außerhalb des Marktes auf einem freien Wiesplatze angekommene Wallfahrtszug schließt sich zu einem Kreise und es empfängt hier ein Kötztinger Bürgerssohn, der nach dem Urteile und der Auswahl des Magistrates und des Pfarrers vor anderen als tugendreich gehalten wird, aus der Hand des Geistlichen ein aus Flieder, rotem Band und Silberdraht geflochtenes Ehrenkränzchen um den linken Arm. Es gehen verschiedene Überlieferungen über die Entstehung dieses Rittes, unter andern die folgende. Noch bedeckte der Urwald die Kirche und ringsher herrschte finsteres Heidentum. Unten im Tale von Chamerau aber bestand schon eine Christenkirche, zu welcher Steinbühl, weit oben in der Bergwaldung als Tochterkirche gehörte. Es geschah nun, daß der Chamerauer Pfarrherr noch nächtlicher Weile in seinen Filialbezirk gerufen wurde; es verlangte ein Sterbender nach der letzten Wegzehrung. Weil aber die Heiden nicht nur, sondern auch grimmige Raubtiere den Pfad unsicher machten, entschlossen sich unterwegs die jungen Männer von Kötzting freiwillig, dem Geistlichen zu Pferd ein Schutzgeleite zu geben. Mit anbrechendem Tage brach eine Heidenschar hervor und des Priesters Leben samt dem Allerheiligsten schien in Gefahr. Da wurden die Gottlosen von den Kötztinger Jünglingen hart angefallen und in hitzigem Kampfe teils erschlagen, teils zur Flucht in die Wälder getrieben. Von solch mannhafter Tat soll das erwähnte Ehrenkränzchen ein Erinnerungszeichen sein.

A.Schöppner

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DIE HL. KUEMMERNIS

In der idyllisch gelegenen Moosecker Kapelle zwischen Simbach am Inn und Julbach befindet sich ein Bildnis der heiligen Kümmernis, zu dem manch gedrückte Seelen aus nah und fern pilgern.

Die hl. Kümmernis war eine Königstochter, welche so sehr für ihr Seelenheil bekümmert war, daß sie den lieben Gott bat, sie zu verunstalten, da ihre Schönheit sie häufigen Versuchungen aussetzte. Der liebe Gott erhörte ihr Gebet und ließ ihr über Nacht einen Bart wachsen.

Als ihr Vater, ein wilder Heide, erfuhr, daß sie es mit den Christen halte, ließ er sie kreuzigen und ihren Leichnam in die Isar werfen. Bei Freising wurde er ans Land gezogen und in feierlicher Prozession in die Kirche zu Neufahrn gebracht.

Kümmerniskapellen finden sich noch u. a. in Dornwang, Ergolding, Gundihausen, Tunzenberg, Schwimmbach usw. Die hl. Kümmernis, auch die bärtige Jungfrau genannt, wird meist am Kreuze hängend abgebildet. Einem Spielmann, der vor ihr kniet und geigt, wirft sie einen goldenen Schuh zu.

Guido Görres besingt die Legende in seinem Spielmann zu Mainz, Justinus Kerner im Geiger von Gmünd.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DAS WURSTMAENNCHEN

Im Dreißigjährigen Krieg hatte sich ein schwedischer General mit seiner Heeresabteilung vor Geiselwind gelagert, das damals hohe und starke Mauern und hinter diesen Mauern eine tapfere Bürgerschaft hatte. Dreimal ließ der General zur Übergabe auffordern. Die Bürger zauderten. Da rückten die feindlichen Haufen näher heran und machten Anstalten die Mauern zu erstürmen. Schon fielen draußen donnernde Schüsse, als die Vertreter der Bürgerschaft vom Rathaus kamen, wo sie beschlossen hatten, durch Abgesandte den feindlichen General nochmals um Gnade zu bitten. Sie gingen hinaus mit der weißen Fahne in der Hand. Das Belagerungsgeschütz schwieg und der General empfing sie in seinem Zelt, wo er eben im Begriff war, eine Wurst zu verzehren. Er hörte die Bürger an, wollte aber nichts von Bedingungen wissen; unbedingte Übergabe war es, worauf er bestand. Da riefen die Bürger aus: "Nun, so wolle uns Gott helfen, dass Ihr nicht in unsere Mauern kommt!" "So wahr ich diese Wurst in meinen Händen halte, komme ich hinein", en tgegnete der General.

Aber in demselben Augenblick sprang eine große Katze auf des Generals Schulter, schnappte ihm die Wurst aus der Hand und lief davon. Die Gesandten erzählten zu Haus diesen Vorfall und ihre Erzählung ermutigte die Bürger. Tapfer kämpfend schlugen sie den Feind mehrmals ab. Die Schweden zogen sich zurück und Geiselwind blieb unerobert. Zum Andenken ließ die erfreute Bürgerschaft die merkwürdige Begebenheit in Stein nachbilden. Auf dem Denkmal ist der General mit einer großen Wurst in der linken Hand und einer nach der Wurst krallenden Katze auf der rechten Schulter dargestellt. Es ist etwa einen Meter hoch und noch heute als Wahrzeichen von Geiselwind in der Hauptstraße auf einer Gartenmauer zu sehen.

Quelle: J. L. Klarmann und K. Spiegel, Sagen und Skizzen aus dem Steigerwald

BISCHOF WITTMANN

Der selige Bischof Wittmann ging gerne von Regensburg über Hohengebraching, Kaiser Heinrichsrast und Peising zur Einsiedelei bei Frauenbrünnl. Hier wurde er wiederholt vom Teufel geplagt.

An einem sonnigen Herbsttage saß er in dem neben der Kapelle stehenden Hause und betete seine kanonischen Tagzeiten. Plötzlich wurde er von unsichtbarer Hand mit Steinen beworfen. Er glaubte, ein mutwilliger Hirtenknabe habe durch ein Fenster auf ihn geworfen. Beim Nachsehen fand er die Fenster jedoch geschlossen. Er setzte sich wieder auf die Treppe und betete weiter; aber es dauerte nicht lange und er wurde von neuem beworfen. Nun suchte er überall in Haus und Kapelle nach dem Störenfried, fand aber keinen Menschen. Er setzte sich darauf zum drittenmale nieder um zu beten. Wieder flogen Steine, Mörtel und Sand auf ihn. Jetzt erhob er sich voller Entrüstung und sprach mit lauter Stimme: "Satan, dir mißfällt mein Gebet! Aber je mehr du mich verfolgst, desto inniger werde ich beten!" Nun hatte er Ruhe.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DIE GRUENDUNG DES KLOSTERS WESSOBRUNN

Herr Tassilo bestieg das Ross, ließ das Horn erschallen und zog mit seinem Tross in den Wald, um zu jagen. Schließlich wurde er müde, stieg ab und ruhte mit seinem Knechte Wesso auf weichem Moose unter hohen Bäumen. Ihn dürstete, aber nirgends war ein Trunk Wasser zu finden. Vor Müdigkeit schlummerte er ein und sah im Traum vom Himmel herab sich eine Leiter zur Erde senken. Auf ihr stiegen Engel hernieder, schöpften aus einem Quell und tranken das reine, helle Wasser. Tassilo erwachte, noch von dem wunderbaren Gesicht verwirrt. Plötzlich hörte er es in der Nähe rauschen; aus einem Stein sprudelte das reinste Wasser hervor. Er hieß seinem Knecht Wesso einen Trunk davon bringen und sagte: "Wesso, du bist der Erste, der von dem Quell schöpfte; darum soll er Wessobrunn heißen."

Der Trank schmeckte ihm, als wäre es der köstlichste Wein. Und an dem Orte gründete er das Kloster, das von dem Quell seinen Namen hat.

Quelle: Friedrich Lüers, Bayrische Stammeskunde, o.J.

 

DER JUNGFERNTURM UND DIE EISERNE JUNGFRAU

An jenem Reste der ehemaligen Stadtmauer, welcher sich vom St. Salvatorplatze - dem sogenannten griechischen Markte - bis zur Häuserreihe des Maximilians- oder Dultplatzes hinzieht, ist eine Gedenktafel angebracht mit der Inschrift:

Hier stand der
Jungfernturm,
erbaut im Jahre
1493
Abgebrochen
im Jahre 1804



Auf diesem Jungfernturm haftet eine schauerlich-romantische Volkssage. Danach soll in demselben eine eiserne Statue der heiligen Jungfrau gewesen sein, welche das Schlachtopfer, dessen Tod beschlossen war, habe küssen müssen.

Zur gleichen Zeit öffnete sich der Boden unter seinen Füßen, und der Unglückliche versank in die Tiefe des Verlieses. Nach einer anderen Erzählung öffnete sich unter dem Verurteilten eine Falltüre, und derselbe sank in der Tiefe in die Arme der eisernen Jungfrau, die ihn umschloß und an ihre mit Dolchen gespickte Brust drückte, während zugleich die mit Schwertern bewaffneten Arme ihn zerfleischten und der Unglückliche hierdurch des qualvollen Todes starb. Namentlich knüpfte die heutige Volkssage dieses geheimnisvolle Walten der eisernen Jungfrau an die Zeit des Kurfürsten Karl Theodor, durch dessen geheimen Ausschuß, an dessen Spitze der berüchtigte geheime Rat Lippert stand, allerdings ohne gerichtliches Urteil Landesverweisungen ausgesprochen, Todesurteile gefällt und ohne Geräusch heimlich vollzogen wurden. Personen, welche durch revolutionäre Grundsätze dem Staat gefährlich schienen, sollen dieser Sage nach plötzlich verhaftet, durch den gespenstigen "Einspänniger" in die Residenz abgeführt, dort im gefü rchteten gelben Zimmer von dem geheimen Ausschuß abgehört und verurteilt und sodann in dem Jungfrauenturm durch die Arme der eisernen Jungfrau ermordet worden sein. Die Münchener Sage benennt sogar mit Bestimmtheit den Hauptmann des churbayerischen Leibregiments Franz von Unertl, welcher am Abende des 6. Januar 1796 aus einem Gasthause dahier mit dem Einspänniger abgeholt und am 7. Januar morgens drei Uhr durch die eiserne Jungfrau hingerichtet worden sein soll.

DIE WEGWEISENDEN LICHTER

Ein Bauer fuhr einmal zur Adventzeit den Weizen zur Schranne nach Vilshofen. Auf dem Heimweg wurde es dunkel, daß man kaum zwei Schritte weit sehen konnte. In der Angst, vom Wege abzukommen, schrie er um Hilfe. Da erschienen plötzlich zwei Lichtlein, die sich auf den Kummet der Pferde setzten und den Weg beleuchteten. Bei seinem Anwesen angekommen, sagte der Bauer: "Was bin ich euch schuldig?" Ein feines Stimmlein antwortete: "Eine Waage voll Vergeltsgott!"

"Vergelt's Gott tausendmal!" erwiderte der Bauer, worauf die Lichtlein verschwanden; nur jene Stimme rief noch: "Erlöst!"

Ein Bauer aus der Gegend von Hilgartsberg wurde stets nachts von einem Lichtlein heimbegleitet, und es öffnete ihm von der Hauptstraße weg alle Tore (Falter) und schloß sie auch wieder. Erst bei seinem Wohnhause verschwand es. Der Bauer fürchtete das Lichtlein und getraute sich nicht, es anzusprechen. Einmal kam das Lichtlein wieder und tat wie früher. Das letzte Tor schlug es mit solcher Gewalt zu, daß der Bauer durch den Luftdruck zu Boden geschleudert wurde. Unter Weinen eilte es hierauf dem Walde zu, wo alle Bäume knarrten und ächzten und sich wie im Sturme schüttelten und bogen. Seit dieser Nacht war das Lichtlein nicht wieder zu sehen.

Quelle: Waltinger, M., Niederbayerische Sagen, Straubing 1927, S. 73f.

PASSAUER SCHUTZZAUBER

Ein Student, Christian Elsenreiter genannt, versuchte zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts in der Stadt Passau in einem Gäßchen, rückwärts dem Rathaus, wo er sich aufhielt, durch Verfertigung von Zauberzeddeln, die gegen alle Verwundungen schützen sollten, Ansehen und Reichtümer zu erlangen. Es waren auf den Zeddeln diese Worte zu lesen: "Teufel hilf mir; Leib und Seel geb ich dir." Wer sich vor jeder Kugel, Lanze und Schwert sicherstellen wollte, verschluckte einen solchen Zeddel, und seine Existenz war auf Lebenszeit geschirmt. Starb er aber in den ersten z4 Stunden nach der Verschluckung, so gehörte seine Seele dem bösen Feinde an. Die Vorurteile des Zeitalters kamen dem Erfinder günstig zu Guten; in kurzer Zeit war diese Kunst unter dem Namen "Passauer Kunst" und die Benennung "Passauer-Zeddel" allgemein bekannt. Im dreißigjährigen Kriege, und besonders im oberösterreichischen Bauernkrieg unter Kaiser Ferdinands 11. Regierung, bedienten sich sehr viele Soldaten und Bauern dieses Mittels, und selbst der in der Geschichte bekannte Stephan Fädinger soll fest an die Unverletzbarkeit seines Körpers geglaubt haben.

Quelle: Lenz, J., Historisch-topographische Beschriebung von Passau, Bd. 2. Passau 1819. S. 114f.

DER TREUE STAR

Von dem Geschlechte der Markgrafen von Cham-Vohburg geht die Sage, dass einmal ein Fräulein des Hauses im zarten Kindesalter durch die Zigeuner geraubt worden sei. Ein Star, der im Schlosse gehalten wurde, flog den Räubern nach und begleitete sie aller Orten hin auf ihren Kreuz und Querzügen. Wenn sie rasteten, ließ auch er auf einem nahen Baum sich nieder und begann die ihm eingelernten Sprüche herzuplappern. Die Räuber besorgten nun, durch den Vogel verraten zu werden, und stellten ihm auf alle mögliche Weise nach. Aber das kluge Tier wusste ihnen immer zu entgehen. Da wurde den Zigeunern ernstlich bange. Sie wollten das Kind nicht länger bei sich haben und setzten es an der Schwelle einer einsamen Herberge im Böhmerwald aus; der Star aber schwang sich auf den Giebel des Hauses und sang da mit heller Stimme.

Die Wirtin, eine arme, gutmütige Frau, nahm sich des Findlings bestens an und fütterte auch getreulich den Star, der sich von der Kleinen durchaus nicht trennen wollte. Wohl dachte sie, wenn sie das feine, zierlich ausgenähte Hemdlein des Kindes beschaute, dass es aus einem vornehmen Haus stammen müsste, aber von dem Raube in der markgräflichen Burg vernahm sie in ihrer Einöde kein Wort und so blieb das Mädchen bei ihr und wuchs heran.

Eines Tages kehrte ein Ritter in der Herberge ein, den ein Gewitter überrascht hatte. Und während der Gast am Tisch bei einem Kruge Wein saß, hüpfte der Star hinterm Ofenbrett hervor, flatterte mit seinen Schwingen, als wollte er gesehen werden, und ließ sodann seine Sprüche und Liedlein vernehmen. Dem Ritter war, als hätte er den Vogel vor langer Zeit schon gesehen und gehört, und er fragte die Wirtin, woher sie das Tier habe. Die erzählte ihm die Geschichte des Mädchens, so viel sie davon wusste, und brachte auch das Hemdlein herbei, welches sie bis zur Stunde sorgfältig aufbewahrt hatte. Der Ritter erkannte an der Stickerei mit freudigem Schrecken das Wappen seines Hauses und verlangte augenblicklich das Mädchen zu sehen. Es wurde von der Wiese hereingerufen, wo es eben Gras mähte, und der Ritter erstaunte über ihre seltene Schönheit. Er nahm sie bei der Hand und streifte hastig mit der linken das Busentüchlein etwas zurück. Da wurde in der Gegend der Schulter ein Muttermal sichtbar in Form einer Kreuzdor nblüte. Alsbald fiel der Ritter dem Mädchen um den Hals und rief: "Ich bin der Graf von Vohburg und du bist meine Schwester, die wir so lange beweint haben. Dieses Zeichen gibt dich mir zu erkennen; unsere Mutter hat uns oft genug davon gesagt." Wiederum umarmte der Graf die schöne Schwester, als sollte das gar kein Ende nehmen.

Da saß er zu Ross und nahm sie vor sich in den Sattel. Der Star aber erhob ein freudiges Geschrei und flog an ihrer Seite der Heimat zu. Welcher Jubel sich dort erhob, als das verlorene Fräulein seinen Einzug hielt, lässt sich schwer beschreiben. Die Eltern bereiteten ein großes Freudenmahl, zu dem alle Verwandten und Dienstleute des Hauses geladen waren, und der Star spazierte während der Gasterei auf den Tischen herum, als wollte er von allen gelobt werden.

Quelle: Friedrich Lüers, Bayrische Stammeskunde, o. J.

 

DIE DREI KOHLENBRENNER VOM DAXSTEIN

Auf dem in der Nähe von Thurmannsbang gelegenen Daxstein wohnten drei Kohlenbrenner. Sie waren Brüder und arbeiteten mitsammen Tag und Nacht. Sie mieden Trunk und Spiel und schafften und sparten auf ein sorgenloses Alter. Als aber wieder einmal Kirchweih kam, sagten sie zueinander: "Laßt uns auch wieder einmal mit den anderen Burschen fröhlich sein! Nur dies einemal wieder!" Und sie gingen miteinander ins Dorf zum Tanz. Kaum hatten sie sich unter die fidelen Kirchweihgäste gemischt, ging schon das Necken und Spotten an. Einer meinte, die Kohlenbrenner sollten ihre Schürhacken mitgenommen haben damit sie etwas zum Tanzen hätten; ein Mädel tanze doch nicht mit ihnen. Ein zweiter sprach, sie seien das Bier nicht gewöhnt und sollten sich fleißig Geißmilch einschenken lassen. Ein dritter sang gar ein Spottlied auf sie. Zuerst lachten die Brüder; dann aber gab ein Wort das andere und schließlich reichten die Worte nimmer; man stieß mit den Fäusten, schlug mit den Stühlen und Krügen und stach mit den Messern. Einer der Spötter wurde tot aus dem Wirtshaus getragen. Da flohen die Kohlenbrenner und stürzten sich aus Furcht und Verzweiflung gemeinsam in einen Meiler. Seit dieser Zeit steigt an dieser Stelle ab und zu Rauch aus dem Boden auf.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DIE JOHANNISZECHE

In der Nähe von Buchet lag einst dicht am Fuße des Ossa ein Bergwerk, die Johanniszeche genannt, das reiche Goldadern barg. Die Leute, welche dasselbe ausbeuteten, erfaßte eine solche Goldgier, daß sie an nichts anderes mehr dachten als nur an das Gold. Sogar die Sonn- und Feiertage wurden ihnen zu Werktagen und setzten sie doch einmal aus, so geschah das nicht um in die Messe zu gehen, sondern um zu zechen, zu spielen, zu schlemmen und vor den anderen Leuten mit ihrem Reichtum zu prahlen. Karfreitag war es, als sie wieder nach Lam zogen und in den dortigen Wirtshäusern ihre Goldfuchsen springen ließen. Sie durchpraßten Tag und Nacht. Erst am Osterdienstag machten sie sich wieder an die Arbeit. Aber, o Schrecken! Das Bergwerk war inzwischen eingestürzt und eine Wiederaufrichtung desselben unmöglich. Noch heute erinnern mächtige Felsblöcke bei Buchet an die ehemalige Johanniszeche. Am Allerseelentage kann man zwischen dem Gestein ein eigentümliches Glitzern beobachten; aber greift man hinein um das vermeintli che Gold zu erlangen, so sind es Kohlenbrocken, was man in der Hand hat.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DER VERSTEINERTE GRAFENSOHN

Nahe bei Chamerau liegt im Regenflusse ein großer, seltsam geformter Stein. Er heißt allgemein der versteinerte Grafensohn.

Vorzeiten stand in Chamerau am rechten Regenufer ein stattliches Schloß, dessen Grundfeste heute noch deutlich erkennbar ist. In dem Schlosse wohnte ein reicher Graf und dieser hatte einen einzigen Sohn. Derselbe, ein gar lustiger Fant, war bis über die Ohren in Röschen, des Roßbach-Müllers einziges Töchterlein, verliebt und wo und wann er nur Gelegenheit fand, sich Schönröschen zu nähern, tat er es. Das Mädchen jedoch wollte von dem Herrensohn nichts wissen und wich ihm überall aus.

Einmal war Röschen bei einer Freundin auf Besuch und kehrte erst bei einbrechender Dunkelheit nach Hause zurück. Da ritt gerade auch der junge Graf mit einigen Knappen von der Jagd nach dem Schlosse heim. Als er das Mädchen gewahrte, gab er seinem Pferde die Sporen; aber Röschen lief so schnell es konnte und da es merkte, daß es dem Grafen nicht mehr entrinnen könne, sprang es in der Verzweiflung in den Regen. "Halloh", rief der Graf, "jetzt bist Du mein!" und dann setzte auch er in die Fluten; doch war er kaum in der Mitte des Flusses angelangt, als er plötzlich mit seinem Pferde in Stein verwandelt war. Die anderen zerstreut herumliegenden Steine in der Nähe des versteinerten Grafensohnes sind dessen Knappen, sagt man.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DER HARTHERZIGE BROTTRAEGER

In Niederalteich befindet sich in der Kirche und zwar im Aufgange zur Empore ein Grabstein, auf dem ein Mann abgebildet ist, der auf dem Rücken eine Kirbe trägt, aus der oben ein Hündlein schlüpft. Hiezu erzählt man folgende Sage: Ein Brothändler wollte einmal eine Kirbe voll Brot ins Kloster tragen um sie dort zu verkaufen, als ihm unterwegs ein armes Weiblein begegnete und ihn inständig bat, ihr für ihre sieben hungernden Kinderlein ein paar Wecklein zu schenken. Der Mann aber wandte sich mürrisch ab und sagte: "Ohne Geld kein Brot! Ich trag's ins Kloster, die zahlen gut!" Da fluchte ihm die Mutter mit den Worten: "So sollst Du junge Hunde statt Brot im Korbe tragen!" Der Fluch erfüllte sich. Als der Mann zum Kloster kam, hatte er wirklich statt des Brotes junge Hunde in der Kirbe.

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

DIE TEUFELSMAUER

Zur Zeit, da Christus als Mensch wandelte, trat ihn eines Tages der Teufel an und sagte: "Höre, wir beide vertragen uns nit gut zusammen; darum däucht's mir, es wäre besser für dich und für mich, wenn du mir einen Teil des Erdkreises einräumtest, wo ich allein Herr sei."

Der Heiland willigte in das Begehren, jedoch mit dem Beisatze, daß der Teufel seinen Anteil Land bevor der Hahn kräht mit einer Mauer umfangen haben müsse. Deß war Meister Urian froh; die Jünger hingegen wunderten sich höchlich über des Herrn Tun. Er aber lächelte und sprach: "Laßt mich machen - ich kenne meinen Mann!"

Satan griff nun hurtig zu und riß aus den Bergen zentnerschwere Felsstücke und türmte sie aufeinander. Und während er so die Mauer erhob brannte er zugleich mit seinem glühenden Schweife eine tiefe Furche in den Erdboden und das sollte der Wallgraben sein. Doch seiner habgierigen und unersättlichen Natur gemäß legte er den Plan zu umläufig an und hatte sein Werk noch nicht halb vollendet als der Hahn rief und ihn schmählich zur Flucht trieb. Von dannen werden die heute noch gewaltig sichtbaren Trümmer des Baues nach seinem Urheber "die Teufelsmauer" benannt.

(gekürzt) Adalbert Müller

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

SONDERBARER BESUCH

In Ranzenberg bei Kirchdorf am Inn hat sich vor langer, langer Zeit einmal ein Bauer, genannt der W ... von Ranzenberg, gehängt. Als man ihn am Abend aufgefunden, verbrachte man ihn in seinen Stadel, wo man ihn, bewacht von sechs starken Männern, liegen ließ. So um die zwölfte Stunde riß plötzlich jemand das Stadeltor auf und es erschien eine große Mannsgestalt, die auf den Erhängten zuschritt, ihn beim Schopfe packte und ihm ins entstellte Antlitz grinste. Unter höhnischem Lachen verließ er dann den Toten und seine zitternden Wächter, die sich, nachdem sie sich von ihrem Schrecken erholt hatten, zuflüsterten: "Das war der Teufel!"

Quelle: Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen

 

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